Kirche will Mitglieder bevorzugen

■ Nach der ÖTV versucht jetzt die Evangelische Kirche, Mitgliederschwund zu bekämpfen

Nachdem die Diskussion um „Trittbrettfahrer“ der Gewerkschaften kurz nach ihrer Eröffnung durch den Hamburger ÖTV-Bezirksvorsitzenden Rolf Fritsch schon wieder zu Ende zu sein scheint, beginnt jetzt in der Evangelischen Kirche das Nachdenken darüber, wie bei kirchlichen Dienstleistungen künftig zwischen Mitgliedern und Nichtmitgliedern unterschieden werden könnte. Nachdem am Dienstag die Präsidentin der nordelbischen Synode, Elisabeth Langer, diese Diskussion öffentlich angestoßen hatte, bestätigte gestern der Sprecher der Bremischen Evangelischen Kirche (BEK), Peter Bick, daß auch im höchsten Bremer Kirchengremium, dem Kirchenausschuß, bereits intern über Möglichkeiten nachgedacht worden ist, Mitglieder bei kirchlichen Angeboten zu bevorzugen.

Hintergrund der öffentlichen Überlegungen bei Kirchen wie Gewerkschaften ist der seit 1. Januar erhobene „Solidaritätszuschlag“ auf die Lohnsteuer. Bereits 1991, als diese Sondersteuer erstmals eingeführt worden war, hatte es eine Welle von Austritten bei Kirchen und Gewerkschaften gegeben, um den Nettolohn auf ungefähr gleicher Höhe zu halten. Ähnliches hat jetzt wieder begonnen. Im Dezember erklärten 755 BremerInnen ihren Austritt aus der evangelischen und weitere 104 aus der katholischen Kirche. Und dieser Trend scheint sich im Januar, nachdem auf den Gehaltsstreifen der sinkende Nettolohn jedem offensichtlich wird, noch zu verstärken.

Daß aber womöglich schon die Drohung mit möglichen Nachteilen die Austrittswelle stark abschwächen kann, vermutet der Bremer ÖTV-Sekretär Blanke. „Die Diskussion um Tarifverträge, die nur noch für Gewerkschaftsmitglieder gelten, hat doch gar keinen realen Hintergrund“, meint er, schließlich sei das „rechtlich gar nicht möglich“. Dennoch habe die in Hamburg ausgelöste öffentliche Debatte darum auch in Bremen bereits zu Gewerkschaftseintritten geführt. Blanke: „Die Nichtorganisierten sind verunsichert, und das hilft uns.“

Komplizierter liegen die Verhältnisse bei der Kirche. Hier wären höhere Kosten für Nichtmitglieder oder bessere Bedingungen für Mitglieder in vielen Bereichen rechtlich durchaus möglich. Evangelische Kitas könnten bevorzugt Kinder von Kirchenmitgliedern aufnehmen, Beratungsstellen und Altenkreise von Nichtmitgliedern Gebühren verlangen usw. „Natürlich wäre das ein Verstoß gegen unsere Tradition, Kirche für andere zu sein“, meint BEK-Sprecher Bick, doch andererseits dürfe man doch „Absahner nicht auch noch belohnen“.

Immer wieder habe es in der Vergangenheit gerade bei den Kita-Plätzen Verärgerung und sogar Austritte bei Kirchenmitgliedern gegeben, wenn ihre eigenen Kinder abgelehnt, Kinder von Nichtmitglieder aber aus sozialen Gründen angenommen worden seien. Schließlich subventionieren die Kirchenmitglieder die Gesamtkosten jedes Kita-Platzes in einer kirchlichen Einrichtung mit über 30 Prozent.

Dennoch ist das Thema einer Bevorzugung von Mitgliedern „eine sehr heikle Frage“, wie auch BEK-Sprecher Bick betont. Schließlich hatte bereits im vergangenen Jahr ein erster Versuch in dieser Richtung große Empörung ausgelöst. In Lesum wollte die St.-Martini-Gemeinde für Beerdigungen auf ihrem Friedhof einen „Andersgläubigenzuschlag“ je nach Konfession von 50 bis 100 Prozent verlangen. Der zentrale Kirchenausschuß war insbesondere von dem sich anschließenden Sturm der Entrüstung überhaupt nicht angetan. Inzwischen liegt die Lesumer Gebührenordnung wegen der Klage eines Nichtmitglieds der Gemeinde dem Oberverwaltungsgericht zur Entscheidung vor.

Und auch aus theologischer Sicht kann sich die Kirche die unterschiedliche Behandlung von Mitgliedern, Angehörigen anderer Kirchen und Konfessionslosen eigentlich nicht leisten. „Ich halte das für schwachsinnig“, meint denn auch der Sprecher der Katholischen Kirche in Bremen, Wilhelm Tacke. Aus katholischen Kreisen habe er einen solchen Vorschlag noch nicht gehört. Ase