Realsozialistische Dumpfbacken

■ Mit der Reihe „Polnische Komödien – Lachen auf polnisch“ würdigt das Arsenal ein Filmgenre, das im eigenen Land von der Kritik sträflich vernachlässigt wurde

Aus allen Ecken lugt die Zensur. Ist ein Film zur Abwechslung mal nicht verboten, wird die Zensur zum Thema. „Zensur ist notwendig, Zensur ist Kunst“, erklärt ein Mann zu Beginn von Wojciech Marczewskis schräger Film-im- Film-Klamotte „Flucht aus dem Kino“ (1990) seine Funktion im System. Ein gutes Dutzend Zelluloidgestalten machen dem Zensor zu schaffen, erwachen sie doch im Schutze der Leinwand zu subversivem Eigenleben, spielen mit den Erwartungen der sozialistischen BetrachterIn. Mit Vorliebe pöbelt der übergeschnappte Haufen das Publikum an, bohrenden Blickes wird es zur Rechenschaft gezogen.

Im durchgeknallten Finale mischt sich der Film-im-Film-Held aus Woody Allens „A purple Rose of Cairo“ unter die außer Rand und Band geratenen Artgenossen, dicht gefolgt vom Zensor. Die schlagkräftige Begegnung mit einem Schauspieler, den er vor vielen Jahren aus einem Werk herausschneiden ließ, katapultiert den Behördenmann wieder in seine Realität. Die humorige Auseinandersetzung mit Obrigkeit, Geschichte und gesellschaftlicher Wirklichkeit galt unter polnischen KritikerInnen als verpönt. Geradezu stiefmütterlich wurde die Komödie behandelt, der düstere Blick des polnischen Nachkriegskinos aufgrund seines Lehrgehalts in den Himmel gelobt: „Durch die Bemühung junger Filmschaffender ist unser Film zum Motor einer intellektuellen Bewegung geworden, er beginnt eine sozial nützliche Wahrheit auszusprechen und Einfluß auf das denkende Publikum auszuüben; daher haben wir nicht das Recht, von Pessimismus zu sprechen.“

Anerkennung, zumindest bei der internationalen Kritik, fand A. Munks Burleske „Das schielende Glück“ (1960) um einen kleinen Mann von der Straße, der allen alles recht machen möchte – und doch geht immer alles schief. Die Leichtigkeit des Films entzückte die RezensentInnen. Der satirische Rundumschlag gegen das Ancien régime, den Faschismus, den Widerstand und das gegenwärtige Regime wurde als Abwechslung von den ansonsten so düsteren polnischen Kriegsfilmen begrüßt.

Auch Tadeusz Chmielewskis ausgelassener Schwank „Eva will schlafen“ von 1957 tanzt aus dem dunklen Reigen. In bester Slapstickmanier besteht die sozialistische Regierung aus dumpfbackigen Obertrotteln. Schauplatz der kuriosen Ereignisse ist eine fiktive Kleinstadt, in der die Gesetze kopfstehen, böse Buben die Oberhand haben, während die Polizei anderswo zu tun hat...

Mit diebischem Vergnügen beginnt nun eine junge Garde polnischer RegisseurInnen, den skeptischen Blick der filmischen Ahnen aufs Korn zu nehmen. In K. Szolajskis „Der Mann aus...“ (1992) muß Andrzej Wajdas ehrenwerte Sozialismuskritik dran glauben. Eine junge Regisseurin plant, einen Film über einen Solidarność- Aktivisten zu drehen, im Verlauf der ausführlichen Recherche muß sie feststellen, daß es sich bei ihrem Kämpfer bloß um einen kleinen Fisch handelt. Aus Frust und persönlichen Karrieregründen gerät das ehrgeizige Aktivistenprojekt zum erzkatholischen Erweckungswerk, das happy mit der Hochzeit endet. Anke Leweke

„Das schielende Glück“: heute, 20 Uhr (Einführung: Michael Hanisch); „Eva will schlafen“: morgen, 22.15 Uhr; „Rejs – der Ausflug“: 12.1., 22.15 Uhr, Arsenal, Welser Straße 25, Schöneberg.

P.S.: Am 31.12. schrieb Anke Leweke einen „Vorschlag“ über Musicalfilme. Aber sie schrieb das nicht allein, sondern mit Hilfe von hm. Wir wissen nicht, wer hm ist, aber hm wird's schon verstehen.