Diepgen soll auf ABM-Stelle

Tramperkönig Rudi Rückert will im Oktober Regierender Bürgermeister werden / Diepgen soll danach „die Praxis des Lebens“ kennenlernen  ■ Von Barbara Bollwahn

Rudi Rückert will Regierender werden. Der gelernte Krankenpfleger bewirbt sich als Einzelkämpfer bei der Wahl zum 13. Abgeordnetenhaus im Wahlkreisverband Schöneberg. Der 51jährige, bekannt als Tramperkönig, will „Diepchen“ stürzen und die Stadt regieren. Ohne Rücksicht auf die Nachwehen von Silvester und der winterlichen Kälte stand Rudi Rückert bereits am ersten Montag im neuen Jahr Punkt 8 Uhr vor seinem ersehnten Domizil: dem Roten Rathaus. Das soll künftig regelmäßig so sein. Sein Wahlprogramm rattert der bisher einzige Einzelbewerber runter, als klopfe die Wahl schon an die schwere Rathaustür: Um „Menschen in Not“ will er sich kümmern. Wie sehr ihm die Obdachlosen am Herzen liegen, zeigt seine Idee, die Abgeordneten aus dem Reichstag nach Bonn zu verfrachten und statt dessen Wohnungslose unter der historischen Kuppel einzuquartieren.

Rückert will den „Wechsel total“: Mietstopp auf zehn Jahre und einen generellen Preisstopp. Jungen Menschen will er bereits im Alter von 16 Jahren zur Volljährigkeit verhelfen. Nicht, damit sie bereits im Clearasil-Alter hinterm Steuer sitzen dürfen, sondern damit sie bei einem vom Arbeitsamt finanzierten Tramperjahr ihren Horizont erweitern und nicht gleich dem „Druck auf dem Arbeitsmarkt“ und dem „unmenschlichen Streß“ ausgesetzt sind. Der gebürtige Sudetendeutsche, der vor zwei Jahren eine Tramper-Partei gründete, anhaltert schon seit über dreißig Jahren durch die Welt und hat eine halbe Million Kilometer auf dem Daumen.

Den Leiter der Geschäftsstelle des Landeswahlleiters, Horst Schmollinger, kann Rückert nicht beeindrucken. Er rät, das „Engagement irgendwo anders einzusetzen“. Viele würden schon an den vierzig Unterschriften scheitern, die im Wahlkreisverband gesammelt werden müssen. Rückert sieht das anders: „Die kriege ich mit links.“ Daß der Kampf nicht einfach wird, weiß er. Aber er ist sicher, mindestens ein Mandat zu kriegen. Auch den Wahlkampf nimmt er locker. Er will mit „eigenen Gedanken“ auf Stimmenfang gehen, Werbezettel wären das höchste der Wahlkampfgefühle. Ansonsten will er das tun, was er beim noch amtierenden Bürgermeister vermißt: Bürgernähe durch Händeschütteln und Gespräche auf der Straße. „Diepchen kann gar nicht wissen, wo den Leuten der Schuh drückt.“ Rückert will den Menschen das Gefühl geben „Wir sind für euch da“.

An CDUlern wie Diepgen stört ihn besonders die Arroganz, wie sie vom Sessel aus am praktischen Leben vorbeiregieren. Da geht ihm schon mal der Blutdruck hoch. Auch ihr „ekelhaftes Getue im Fernsehen“ stößt dem Tramperkönig auf.

Dieses Metier ist Rückert selbst nicht fremd. Zwischen Wahlprogramm, geplanten Wahlkampf- Treffen des Tramperclubs in Zürich diese Woche und seinem Tip, Meditation zur Entspannung zu betreiben, schwärmt Rudi Rückert immer wieder von seinen eigenen Auftritten im Fernsehen und wie die Kamera wo wann draufgehalten hat. Und in seiner Wohnung in Schöneberg sind die Wände mit Dutzenden von Zeitungsartikeln beklebt.

Rückert, der nach eigenen Angaben in fast hundert Berufen gearbeitet hat, hat sich auch schon Gedanken darüber gemacht, was „Diepchen“ nach seiner Abwahl machen sollte: als Schuhputzer, Tellerwäscher oder Straßenfeger „die Praxis des Lebens“ kennenlernen. Dann fällt ihm noch eine praxisnähere Beschäftigung ein: Diepgen solle sechs Monate lang als ABM-Kraft arbeiten und dann in die Arbeitslosigkeit entlassen werden. Wohnen sollte er mit seiner Familie in einer „kleinen Hütte“, „damit er sieht, wie das Leben draußen ist“.

Sollte Rückert trotz seines Optimismus und seiner guten Absichten doch nicht Bürgermeister werden, hat er bereits neue Pläne: Ministerpräsident des zukünftigen Landes Berlin-Brandenburg.