Vorsitzende gegen Vorsitzenden

■ Die Berliner PDS ist sauer über ihren Bundesvorsitzenden Lothar Bisky / Regierungsbeteiligung ist kein Thema

Noch im alten Jahr hatte der Bundesvorsitzende der PDS, Lothar Bisky, seinen Berliner Parteifreunden ein Kuckucksei ins Nest gelegt. Die PDS strebe nach den Berliner Abgeordnetenhauswahlen im Oktober den Machtwechsel an, erklärte er kurz vor Weihnachten in einem Rundfunkinterview, und schließe daher auch eine Regierungsbeteiligung als Juniorpartner in einer rot-grünen Koalition nicht aus. Die Wähler im Osten würden erwarten, so Bisky, daß die PDS der Aufgabe nicht ausweiche, Regierungsverantwortung zu tragen.

Davon wollten die Berliner Genossen jedoch nichts wissen. Aus dem Urlaub zurückgekehrt, hadern sie jetzt mit ihrem Bundesvorsitzenden und werfen ihm „Einmischung in die Autonomie der Landesverbände“ vor. Es gebe keinen Grund, so die Landesvorsitzende Petra Pau gegenüber der taz, Parteibeschlüsse in Frage zu stellen. Am gestrigen Donnerstag sollte sich Bisky vor dem Berliner Landesvorstand rechtfertigen, doch dieser sagte wegen Krankheit ab.

Ohne Rücksprache vorgeprescht

Empört sind die Berliner PDSler vor allem, weil Bisky „ohne Rücksprache“ vorgeprescht sei. „Eine Koalition wäre ein Korrumpierungsangebot“, beschwor der Fraktionsvorsitzende der PDS im Abgeordnetenhaus, Peter-Rudolf Zotl, die bisherige Parteilinie. Auch wenn der Oppositionskurs nicht als „Fetisch“ behandelt werden dürfe, so ließ Zotl in einer gemeinsamen Erklärung mit Petra Pau verlauten, solle die PDS auch nach den Abgeordnetenhauswahlen im Herbst ihren erfolgreichen politischen Kurs fortsetzen.

Während Bisky seine Partei auf dem Bundesparteitag im Januar auf Reformkurs trimmen will, erklärten Zotl und Pau, die PDS dürfe sich nicht in einem System etablieren, „dem mehr und mehr mißtraut wird“. Die PDS sei 1994 nicht trotz, sondern „wegen ihrer Oppositionsaussagen“ gewählt worden. Statt zur politischen Macht zu greifen, müsse die PDS sich weiter inhaltlich profilieren. Auch nach den Wahlen müsse sie für das stehen, was sie „vor den Wahlen versprochen habe“ und mit anderen „linksorientierten Kräften alternative Projekte durchsetzen“. Auch der ehemalige Grüne Harald Wolf hatte schon PDS in Brandenburg längst auf Regierungskurs

vor einigen Wochen eine Koalitionsbeteiligung wegen des nicht abgeschlossenen Erneuerungsprozesses ausgeschlossen und darauf verwiesen, daß vor allem alte Kader an einer Machtbeteiligung interessiert seien.

Die am Donnerstag ausgefallene Diskussion soll jetzt am Samstag nachgeholt werden. Die Landesvorstände Berlins und Brandenburgs treffen sich, um über die geplante Länderfusion Berlin/ Brandenburg zu beraten. Doch neben Fusionsproblemen wird wohl auch die Koalitionsfrage Thema des Treffens sein.

Denn im Gegensatz zu Berlin ist die Brandenburger PDS längst auf Regierungskurs. In einem vom Landesvorstand verabschiedeten Strategiepapier plädiert die PDS in Brandenburg dafür, unmittelbare Regierungsverantwortung zu übernehmen, und Landeschef Markov will noch „in diesem Jahrtausend“, das bedeutet nach den Landtagswahlen 1999, in die Landesregierung eintreten.

In Brandenburg gibt es seit langem regelmäßige Kontakte zwischen SPD und PDS. Selbst die brandenburgische SPD macht sich seit kurzem Gedanken darüber, was kommt, wenn die Partei die absolute Mehrheit 1999 nicht verteidigen kann.

Beachtung der Realitäten angemahnt

„In Berlin müssen wir von den Realitäten ausgehen“, sagt Petra Pau, und da gäbe es zur Opposition keine Alternative. Kein politischer Partner stünde in Berlin für eine Zusammenarbeit mit der PDS zur Verfügung. Selbst wenn rechnerisch eine linke Mehrheit möglich sei, hätte eine solche Regierung keine gesellschaftliche Mehrheit und wäre so zum Scheitern verurteilt.

In den Ostberliner Bezirken jedoch, in denen die PDS bei den Bundestagswahlen schon die stärkste Partei war, will die PDS jedoch Bürgermeisterkandidaten nominieren und dort ein wenig an der Macht schnuppern. Christoph Seils