■ Die OSZE schaltet sich in den Tschetschenien-Konflikt ein
: Weitere Schritte müssen folgen

Mit der Entsendung ihrer Troika nach Moskau hat die OSZE gestern endlich wenigstens die unterste Stufe ihrer Einwirkungsmöglichkeiten auf den Tschetschenien-Konfklikt ergriffen. Ob dies Folge des Telefonats zwischen Kinkel und Kosyrew vom 30.Dezember ist, wie der Bundesaußenminister sogleich verbreiten ließ, oder nicht doch eher Ergebnis der intensiven Vermittlungsbemühungen des ungarischen OSZE-Präsidenten Horn, sei dahingestellt. Worauf es allein ankommt, ist die Wirkung der OSZE-Bemühungen. Diese dürfte allerdings nur marginal sein, wenn nach dem Moskau-Besuch der Troika keine weiteren Schritte erfolgen.

Die OSZE muß jetzt umgehend die in ihren Konfliktschlichtungs-Mechanismen vorgesehenen Verfahren für die Entsendung von Beobachterdelegationen in das Kriegsgebiet einleiten und damit den politischen Druck auf Moskau erhöhen, die militärische Aggression zu beenden und mit den Tschetschenen zu verhandeln. Anders, als gestern an prominenter Stelle der Süddeutschen Zeitung behauptet, gelten sowohl die in der Schlußakte von Helsinki 1975 vereinbarten Prinzipien wie die seitdem entwickelten Mechanismen und Verfahren der KSZE/OSZE natürlich nicht nur für zwischenstaatliche, sondern ausdrücklich auch für innerstaatliche Konflikte. Wer so tut, als ob nur der beim jüngsten Gipfel in Budapest beschlossene „Verhaltenskodex für den Einsatz von Streitkräften“ gälte, auf dessen Verletzung durch Moskaus Truppen der französische EU-Ratspräsident Juppé bislang seine Kritik beschränkt hat, bewegt sich – wie auch Kinkel und Kohl – lediglich auf der Ebene von „Verhältnismäßigkeit“ oder „Unverhältnismäßigkeit“ und hat die OSZE-Prinzipien im Grunde aufgegeben. Nach dieser Logik waren die russischen Luft- und Bodenangriffe in den Tagen vor dem Budapester Gipfel Anfang Dezember und auch noch bis kurz nach Weihnachten „verhältnismäßig“, sind es seitdem wegen des gewachsenen Drucks in den Medien und in der Öffentlichkeit aber nicht mehr. Wenn sich diese Logik künftig in Europa durchsetzt, wird die OSZE das Jahr 2000 nicht mehr erleben. Andreas Zumach