■ Mit Rußlands Wirtschaft auf du und du
: Schwarze Prognose

Moskau (AFP) – Für Rußlands Wirtschaft beginnt das Jahr ausgesprochen düster. Bereits jetzt zeichnet sich klar ab, daß die Regierung unter Ministerpräsident Viktor Tschernomyrdin ihre ohnehin nach unten revidierten Vorgaben für 1995 nicht wird einhalten können. Der russische Wirtschaftsminister Jewgeni Jassin äußerte sich mehrfach besorgt, doch kaum jemand in Moskau schenkte seinen dramatischen Prognosen Aufmerksamkeit – alle blicken nach Tschetschenien.

Die Inflation zieht wieder an, der Militäreinsatz im Kaukasus wird die leere Staatskasse vermutlich in Milliardenhöhe belasten (siehe Tagesthema auf Seite 3). Nach wie vor gibt es einen riesigen Subventionsbedarf, und aus dem Ausland droht die Streichung fest verplanter Rußlandhilfen. Das Haushaltsdefizit in dieser Lage unter den vom Internationalen Währungsfonds (IWF) geforderten sieben Prozent des Bruttoinlandsprodukts zu halten dürfte unmöglich sein.

Alle wichtigen Wirtschaftsindikatoren zeigen einen deutlichen Negativtrend auf: Die Arbeitslosigkeit nimmt zu, und immer mehr Unternehmen droht der Zusammenbruch. Das Bruttoinlandsprodukt sank 1994 um 15 Prozent, die Industrieproduktion um 21 Prozent, wobei nahezu jegliche Mittel für eine Modernisierung veralteter Industrieanlagen fehlen. An der Zurückhaltung ausländischer Investoren dürfte sich auch 1995 nichts Grundlegendes ändern. Die Inflation, die die Regierung im Griff zu haben geglaubt hatte, legte im letzten Quartal des vergangenen Jahres wieder monatlich zweistellig zu, im Dezember waren es 16,4 Prozent. Der Preisanstieg lag 1994 insgesamt bei 320 Prozent, wobei sich die Regierung zwischen 50 und 70 Prozent zum Ziel gesetzt hatte.

Die Ausgaben für die Intervention in Tschetschenien werden die Regierung wohl dazu veranlassen, die Notenpresse wiedeanzuwerfen. Druck aus der von Subventionsstreichungen gebeutelten Großindustrie hatte die Behörden schon im letzten halben Jahr dazu verleitet, mehr Geld zu drucken.

Die sogenannte Schattenwirtschaft, also die vielen kleinen, nicht offiziell registrierten Betriebe in Rußland, erzielte im vergangenen Jahr relativ gesehen bessere Ergebnisse als die Staatsproduktion. Sie ist jedoch weit davon entfernt, ein Gegengewicht zu bilden.