Der neue Wärmeschutz hat Lücken

Hersteller von Fertighäusern kritisieren zu lasche Vorschriften für kleinere Häuser: Nicht neuester Stand der Technik / Bauministerium spricht von einem Zugeständnis an Tradition in Bayern  ■ Von Lars Klaaßen

Eigentlich ein Grund zur Freude: Die neue Wärmeschutzverordnung setzt strengere Maßstäbe bei Neu- und Umbauten an. Doch die Verordnung wurde bereits vor Inkrafttreten kritisiert: „Ungerechte Berechnungsverfahren und lasche Grenzwerte gehen nicht nur auf Kosten der Umwelt, sondern benachteiligen auch Fertighäuser“, klagt Thomas Renner vom Bundesverband Deutscher Fertigbau (BDF).

„Der Haken liegt bei den beiden Nachweisverfahren, die bei der Berechnung der Werte angewandt werden können“, erläutert Renner. Grundsätzlich wird der Wärmeschutz über den den Jahresheizwärmebedarf nachgewiesen und im Wärmebedarfsausweis dokumentiert. Dieses Berechnungsverfahren ist nicht nur kompliziert, sondern führt auch dazu, daß kleinere Häuser im Vergleich zu großen Gebäuden schlechter abschneiden. „Deshalb haben wir nicht nur verschiedene Grenzwerte festgesetzt, die sich an der Gebäudegröße orientieren. Wir haben auch ein alternatives Berechnungsverfahren für Häuser bis zu zwei Vollgeschossen und drei Wohneinheiten geschaffen“, erklärt Horst-Peter Schettler-Köhler, Referent für rationelle Energieverwendung im Bundesbauministerium.

Im vereinfachten Verfahren wird der sogenannte Wärmedurchgangskoeffizient k für einzelne Bauteile berechnet. Kellerdecken, Dachschrägen, Fenster und Außenwände werden also getrennt bewertet und haben jeweils verschiedene Grenzwerte.

„Setzt man jedoch genau diese Grenzwerte in das Berechnungsverfahren für den Jahresheizwärmebedarf ein, so kommt es bei bestimmten Gebäudetypen zu Überschreitungen bis zu dreißig Prozent der in diesem Verfahren vorgeschriebenen Werte“, ärgert sich Renner.

Mit anderen Worten: Die Grenzwerte im vereinfachten Nachweisverfahren sind nicht streng genug ausgelegt worden. Bei näherer Betrachtung, grenzt Renner ein, treffe dies nur auf den k-Wert der Außenwand zu: „Dieser entspricht in keiner Weise dem Stand der Technik und ist so anspruchslos gehalten, daß über die Außenwand zuviel Wärme verlorengeht.“ Der Grenzwert für die Außenwand fällt nicht zufällig aus dem Rahmen: „Er ist so ausgerichtet, daß eine normale Ziegelwand von 36,5 Zentimeter Dicke auch ohne zusätzliche Isolation noch gerade den vorgegebenen Anforderungen entspricht“, weiß Gerd Hauser, der Vorsitzende der Gesellschaft für rationelle Energieverwendung aus Berlin.

Schettler-Köhler aus dem Bundesbauministerium gibt zu: „Dieser Grenzwert ist ein politisches Zugeständnis an Bayern.“ Dort wird noch verstärkt in der traditionellen Ziegelbauweise gearbeitet. Diese Tradition habe man nicht durch strengere Grenzwerte gefährden wollen, so der Referent.

Der BDF argumentiert in einer Stellungnahme zur neuen Verordnung hingegen ökologisch: „Die Fertigbauindustrie realisiert k-Werte an der Außenwand zwischen 0,2 und 0,3, während der Grenzwert mit 0,5 künstlich hochgehalten wird.“ Dies geschehe durch den Druck der bayerischen Ziegelindustrie.

Der Referent aus dem Bundesbauministerium sieht das ein wenig anders: „Die Fertigbauindustrie hätte das vereinfachte Verfahren gerne auf die eigenen Bedürfnisse zugeschnitten. Wir können es aber nicht allen Betroffenen zugleich recht machen.“ Viele Billiganbieter aus der Fertigbaubranche hätten sich auf der anderen Seite über die angeblich zu scharfen Werte beim Boden beklagt. Die, so Schettler-Köhler, haben dann immerhin die Chance, das komplexe Berechnungsverfahren zu nutzen.

Auch Hans-Günter Kind, Leiter der Abteilung technische Ausrüstung in der Senatsverwaltung für Bau- und Wohnungswesen, hält die Kritik für überzogen: „Die Klagen aus der Baubranche gehen in erster Linie auf den wachsenden Konkurrenzkampf zurück.“ Aus irgendeiner Ecke kämen immer Klagen. Kind prophezeit wachsende Auseinandersetzungen: „Bereits jetzt war in der Industrie ein deutliches Knirschen zu vernehmen, aber 1997 geht es noch weiter.“ Denn dann folgen neue Verordnungen.