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SanssouciVorschlag

■ Mit 8 Bold Souls startet das Podewil eine Hothouse-Reihe

Die Association for the Advancement of Creative Musicans (AACM), das legendäre Chicagoer Community-Netzwerk afroamerikanischer Jazzer mit membershipcards für aktive und passive Mitglieder, lebt. Drei Musikergenerationen repräsentieren derzeit die mittlerweile dreißigjährige AACM-Geschichte. Sie stehen im Mittelpunkt der „Blowing In From Chicago“-Podewil- Montagreihe im Januar, die heute abend mit den Free-funk-Akustikern 8 Bold Souls beginnt. 8 Bold Souls, das ist die zeitgenössische Oktett-Adaption Duke Ellingtons und Henry Threadgills, die Tradition der mittelgroßen Jazz-Ensembles, das sind bis zu drei verschiedene Basslinien mit Tuba, Cello und Kontrabaß, satte Bläserarrangements und harte Beats. Das Baritonsaxophon spielt der derzeitige AACM-Präsident Mwata Bowden.

Die AACM, gegründet 1965 von Muhal Richard Abrams, Melachi Favors und Fred Anderson, der am 30. Januar auch als Tenorsaxophonist des Kahil El Zabar Quartetts beim Abschlußkonzert dieser kleinen Podewil-Reihe dabeisein wird, steht für politisierten Community-Jazz, Musiker-Selbstorganisation und musikalischen Unterricht für Inner-City-Kids. Nur wenige der Musiker, die den legendären Ruhm der AACM einst begründeten, leben heute noch in Chicago. Was für sie zur Folge hat, daß sie keine aktiven Mitglieder der AACM mehr sein können, denn das Organisationsprinzip ist nach wie vor streng dezentralistisch, und das wiederum meint vor allem den Chicagoer Autonomieanspruch gegenüber der New Yorker Jazz-Regierung. Aber das heute noch etwa 50 aktive Mitglieder zählende Chicagoer Kollektiv aalt sich natürlich auch schon gern mal unter der europäischen Festival-Sonne, die das Art Ensemble of Chicago, Anthony Braxton oder Leroy Jenkins einst für die amerikanischen Free-Jazzer entdeckten.

Und die heimischen Sterne stehen derzeit wahrlich nicht gut. Das AACM-Haus mußte unlängst wegen Baufälligkeit geschlossen werden, und das Hothouse, in dem die AACM in den vergangenen fünf Jahren aufführen konnte, fiel kürzlich dem Mietwucher zum Opfer. Die Hothouse-Betreiberin Marguerite Horberg organisierte mit allerlei freundlicher Unterstützung bei der Überbrückung der Hothouse-losen Zwischenzeit nun erst mal die anstehende Chicago-Tour nach Berlin und Hamburg, bei der wir Gelegenheit haben, Musik zu entdecken, die bislang noch nicht allzusehr unter der inflationären Vielreiserei gelitten hat, die für New Yorker Jazzer so alltäglich geworden ist. Am 16. Januar kommt die einzige Non-AACM-Band dieser Podewil- Reihe, das NRG Ensemble des 1982 verstorbenen Hal Russell, am 23. folgt das New Horizons Ensemble. Christian Broecking

Heute bis 30. Januar, immer montags 20.30 Uhr, Podewil, Klosterstraße 68–70, Mitte.

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