Blick zurück nach vorn

■ "Neue Synagoge" in der Oranienburger Straße wird am 7. Mai eingeweiht / Zwei Ausstellungen erinnern an jüdisches Leben

„Tuet auf die Pforten“. Was bisher nur in hebräischen Lettern über dem Eingang leuchtet, soll im Mai dieses Jahres erneut Wirklichkeit werden. Mit zwei Ausstellungen feiert die Jüdische Gemeinde in Berlin die Wiedereröffnung der Neuen Synagoge in der Oranienburger Straße. Zum Gedenken an das Ende des deutschen Faschismus und des Naziterrors vor fünfzig Jahren präsentiert das Centrum Judaicum in den Räumen der Neuen Synagoge ab dem 9. Mai die Dokumentation „Jüdische Geschichte in Berlin“. Die historische Ausstellung der „Stiftung Neue Synagoge“ sowie der „Stiftung Topographie des Terrors“ stellt einen Überblick zur jüdischen Geschichte, besonders zum Leben der jüdischen Bürger dar, deren Existenz, Kultur und Alltag nach 1933 zerschlagen wurden.

Anläßlich der Neueröffnung der Neuen Synagoge, die in zwei Bauabschnitten von 1988 bis 1995 rekonstruiert, erneuert und umgebaut wurde, ist zudem geplant, „eine Dauerausstellung zur Geschichte des Gotteshauses, seiner Zerstörung und des Wiederaufbaus zu zeigen“. Der Sprecher der Stiftung, Münz, betonte, daß bis zum 7. Mai die Bau- und Restaurierungsarbeiten abgeschlossen seien. Die Handwerker für die Außen- und Fassadenbereiche wären „bereits abgezogen“. Münz: „Die Arbeiten zur Ausgestaltung der Innenräume befinden sich in den letzten Zügen.“

Nach dem Abschluß der Rekonstruktionsarbeiten an der südlichen Hauptfassade mit der goldenen Mittelkuppel, den minarettartigen Türmchen und maurisch angehauchtem Maßwerk hatte sich der Wiederaufbau der Neuen Synagoge auf die verbliebenen Innenräume der Synagoge und die Neubaumaßnahmen am Haus Oranienburger Straße Nummer 29 konzentriert. Während das dreigeschossige Haus Nummer 29 (für Büros, Studienzimmer, einen Versammlungsraum, die Bibliothek und das Archiv) sich mit seiner ziegelroten Fassade an die alte Architektursubstanz nur etwas anlehnt, kontrastiert der Innenausbau der Neuen Synagoge die originalen Reste des Gotteshauses mit der Modernisierung. „Wir streben keine Wiederherstellung des Gebäudes an – man kann die Vergangenheit nicht ungeschehen machen“, hatte Heinz Galinski zum Richtfest 1990 erklärt.

Die brutalen Wunden, die die Zeit in die zwischen 1859 und 1886 von Eduard Knoblauch und Friedrich August Stüler für die Jüdische Gemeinde Berlin geplante Neue Synagoge gerissen hatte, wollte Galinski (und zahlreiche Denkmalpfleger) erhalten wissen. 1938 verübten SA-Leute einen ersten Brandanschlag auf das größte jüdische Gebetshaus, das Platz für 3.200 Personen in der zweistöckigen Haupthalle bot. Die Wehrmacht beschlagnahmte das Haus, später zerstörten Bomben das Dach, die Kuppeln und Teile der Hauptsynagoge.

Das Gebäude verfiel nach dem Krieg. 1958 wurde der Hauptraum gesprengt, die Vorderfront dagegen ließen die (politischen) Sprengmeister stehen. Erst 1988, aus Anlaß des 50. Jahrestags der Pogromnacht, hatten die Pläne der Jüdischen Gemeinde für die Rekonstruktion des Straßen- und Mitteltraktes bei den SED-Oberen Erfolg. Die gegründete Stiftung durfte den vorderen Teil des einstigen Gebäudes wiederaufbauen.

Wenn die Besucher ab dem 7. Mai die Innenräume der Neuen Synagoge betreten, werden sie auf historische Spuren und die Neubauelemente treffen. Am Eingang, Treppenhaus, Vestibül, im Repräsentantensaal und in der Vorsynagoge finden sich Stukkaturen und arabeske Wandbilder, die konserviert wurden. Die Räume für Vorträge und Ausstellungen und die kleine Synagoge wurden teilweise verändert, ebenso die Mikwe, ein kultischer Baderaum, im Keller des Hauses. Vor Teilen der aufgerissenen Rückwand wurde eine Glaskonstruktion gestellt. Hier schlüpft das Haus nicht mehr zurück in sein historisches Original, sondern wagt neben der Rückbesinnung eine Neudefinition, die ebenso wie die Ausstellung über das jüdische Leben auch nach vorn blicken soll. Rolf Lautenschläger