Da mache ich nicht mehr mit

■ betr.: „Früchtchen und Würst chen“, taz vom 5. 1. 95

Unverstanden bleibt die blinde Aggression gegen Menschen, wütend macht die gleichzeitig stattfindende Entwertung von Menschenleben. [...] Hier lassen sich aktuelle Vergleiche zu militanten AbtreibungsgegnerInnen in den USA ziehen, die einerseits Leben retten wollen, andererseits Leben angreifen und vernichten.

Für mich als Vegetarier ist der Mensch dem Tier vorzuziehen, wenn es darum geht, wen man nun als erstes schützen sollte.

Daß Tierzucht und Tierproduktion eindeutig abzulehnen ist, steht für mich ebenso fest, wie die Tatsache, daß ich mit meinem Vegetarismus nicht die Sache an sich bekämpfe – dazu essen noch viel zu viele Menschen Tierfleisch –, sondern lediglich erkläre: Da mache ich nicht mehr mit.

Der Kampf gegen dieses Unrecht muß an einer anderen Stelle ansetzen: Nicht der Öko-Schlachter von nebenan muß Objekt des Engagements werden, sondern alle Menschen um einen herum. [...] Die Tierzucht verschlingt jährlich Unmengen an Getreide, Nahrung, die weitaus mehr Menschen ernähren könnte, als die gleiche Menge Fleisch. Vegetarismus ist also weit mehr als reiner Tierschutz, und doch bleibt er nur ein symbolischer Kampf, der seine Praxis auf dem Gebiet der politischen Überzeugungsarbeit erhält.

Der Angriff auf die Schlachthöfe etc. wirkt hingegen kontraproduktiv, schließlich erzeugt er starke Antipathien und Ablehnung. Der Angriff auf Menschen muß weiterhin strikt abgelehnt werden, es sei denn, die gesellschaftliche Doppelmoral setzt sich auch in an und für sich kritischen Köpfen durch. Timo Weiß, Berlin