Das Ende von Anatopia

■ Hüttendorf gegen Mercedes-Teststrecke im Emsland nach dreieinhalb Jahren geräumt

Hannover (taz) – Das Hüttendorf Anatopia, mit dem junge Umweltschützer den Bau der Mercedes-Teststrecke im Emsland verhindern wollten, ist am Wochenende von der Polizei geräumt worden. Dreieinhalb Jahre lang hielten die Bewohner von Anatopia das Gelände in einem Hochmoor bei Papenburg besetzt, auf dem nun mit dem Bau eines 13 Kilometer langen Beton-Ovals begonnen wird. In den 20 Hütten des Dorfes lebten zwei Dutzend junge Frauen und Männer. Sie wollten in Anatopia – das Wort steht für Anarchie und Utopie – für den Erhalt eines der letzten großen Hochmoore in der Bundesrepublik und gegen das Mercedes-Großprojekt demonstrieren.

Die Polizei hatte die Räumung von Anatopia nach eigenen Angaben erst für den morgigen Dienstag geplant. Doch die Bewohner von Anatopia blockierten am Samstag die Straße vom Moor nach Papenburg mit brennenden Barrikaden. Die anrückende Polizei wurde mit einigen Wurfgeschossen empfangen; danach zogen sich die Anatopia-Bewohner in den Wald zurück.

350 Polizisten räumten das leere Dorf dann am Sonntag vormittag. Verletzt wurde bei der Protestaktion und der anschließenden Räumung nach Polizeiangaben niemand. Ein „Unterstützungskreis“ des Hüttendorfes hat bereits angekündigt, daß Anatopia wiederbesetzt werden soll.

Die emsländische Mercedes-Teststrecke, auf der Lkws und Daimler-Limousinen erprobt werden sollen und deren Piste im Krisenfall sogar eine Landebahn abgeben würde, war einst von der rot-grünen Landesregierung und namentlich von Gerhard Schröder als Beispiel für die Vereinbarkeit von ökonomischen und ökologischen Interessen gelobt worden. Als Ausgleich für die Versiegelung von 130 Hektar Hochmoorfläche sollte Mercedes 480 Hektar Moor auf dem Testgelände renaturieren und an anderer Stelle weitere 400 Hektar Moorfläche kaufen und in den natürlichen Zustand zurückversetzen. Unter der SPD-Alleinregierung wurde der Automobilkonzern allerdings jüngst von der Verpflichtung, Ausgleichsflächen käuflich zu erwerben, teilweise befreit. Jürgen Voges