Vorschlag

■ Sanft und magisch: The Sea And Cake und Tortoise im Loft

Vorgeschlagen werden sollte eigentlich ein Konzert-Dreier- Pack mit Eleventh Dream Day als größter Leckerei. Auf die muß jedoch verzichtet werden, da der Sohnemann von Mastermind Rick Rizzo ernsthaft erkrankt sein soll. Das ist unschön und sehr schade, da Eleventh Dream Day auf ihrem neuen Album wirklich allen rockistischen Muff, der ihren Gitarrenexzessen oft anhaftete, weggefiltert haben. Wegweisend wird es trotzdem, denn mit The Sea And Cake und Tortoise gibt's noch gehobenen, etwas entrückten US-amerikanischen Rockstuff: Musik für Müßiggänger und Genießer, für Kopfmenschen und wache Ohren.

The Sea And Cake bedienen erstere am besten; sie streicheln Gitarren und Drums, kommen leise durch die Hintertür, und wenn es mal gewagtere Ambitioniertheiten gibt, dann sind das die über alle Songs verstreuten, dezent an gepflegten Bar-Jazz angelehnten Daddeleien. Hier darf man gemütlich seine Madeleine in den Tee tunken und sich ungeniert als Dandy im Holzfällerhemd gerieren. Bei dieser Band stellt sich schnell ein sämiges Wohlgefühl ein, das die Seele froh und leer macht, und selbst Sänger Sam Prokop macht den nöligsten und abwesendsten Eindruck von hier bis zum Pavement-Mann Steve Malkmus. Wo sich aber The Sea And Cake noch an gewohnte Songmuster halten, haben die sound-, stadt- und mitgliedsverwandten Tortoise jegliche Rockkörper in ihre Einzelteile zerlegt. Beim Hören ihrer Debüt-CD glaubt man zu schweben, etwas entfernt, draußen, woanders oder nirgendwo. Musik mit korrekt eskapistischem Drang, die keine Sahne um die Ohren streicht und trotzdem jeden Ton hörbar und erfaßbar präsentiert. So hört man öfters hin als weg, freut sich über eine klasse Instrumentenauswahl mit Xylo- und Vibraphonen, Kongas und Cembalos und denkt: Klangkörper im Durchgangsraum und, what else is new?, gleich danach an das Parade- und Modebegriffchen Dub: Der Ausdruck für ein Musikelement, das Momente einfängt und Klänge in diesen bewahren möchte, das Stillstand feiert und trotzdem weiter will. Und das durchaus auch in Rock-Kontexte eingegliedert werden kann. Daß Tortoise nicht singen, versteht sich von selbst – was ist verfänglicher als eine Stimme? Daß sie aber nicht nur reinste Kopf- und Theoriemusik machen, sei hier versichert, und daß sie, wie uns die Plattenfirma weismachen will, „live ungefähr das Magischste sind, was man sich anhören kann“, das wollen und können wir heute abend doch einfach mal hören! Gerrit Bartels

Heute, 20.30 Uhr, Loft, Nollendorfplatz 5, Schöneberg