Angeklagt
: Die letzte Politbüro-Sitzung in Berlin-Moabit

■ Sieben ehemalige DDR-Größen müssen sich wegen Totschlags vor Gericht verantworten

EGON KRENZ (57): Der letzte DDR-Staats- und Parteichef machte zunächst bei den Blauhemden in der DDR-Jugendorganisation FDJ Karriere, deren Erster Sekretär er 1976 wurde. Vom Wohlwollen Erich Honeckers unterstützt, rückte er 1983 ins Politbüro auf. Er war als Sekretär des Zentralkomitees der SED für Sicherheit, Jugend und Sport zuständig. Krenz war maßgeblich am Sturz Honeckers im Oktober 1989 beteiligt.

ERICH MÜCKENBERGER (84): Ähnlich wie Honecker leistete der Schlosser zur Nazizeit illegale Parteiarbeit – allerdings für die SPD. Nach der Zwangsvereinigung von KPD und SPD stieg er in der SED auf und wurde 1958 Politbüro-Mitglied. Obwohl er Vorsitzender der Zentralen Revisionskommission der SED war, soll er innerhalb des Politbüros keinen nennenswerten Einfluß gehabt haben.

KURT HAGER (82): Der jahrzehntelange SED-Chef-Ideologe kann auf ein bewegtes Leben zurückblicken. Ende der dreißiger Jahre nahm der Journalist am Spanischen Bürgerkrieg teil und lebte später in Frankreich und England. In der DDR stieg er 1958 ins Politbüro auf und war für Kultur und Wissenschaft zuständig. Er bestritt die Existenz einer einheitlichen deutschen Kulturnation und lehnte Ende der achtziger Jahre die Reformpolitik Gorbatschows ab.

HORST DOHLUS (69): Der gelernte Friseur und Bergmann galt als enger Vertrauter Honeckers. Er war Organisationsleiter der SED, trat nach außen kaum in Erscheinung. Ins Politbüro kam er erst 1980. Nach Zeugenaussagen soll er für die Fälschung der Kommunalwahlen im Frühjahr 1989 mitverantwortlich sein.

HARRY TISCH (67): Als einziger der Angeklagten kennt der ehemalige Chef der DDR-Gewerkschaft FDGB das Gefühl, als Beschuldigter vor Gericht zu stehen. Im Juni 1991 wurde er zu einer Haftstrafe von achtzehn Monaten verurteilt, weil er unter anderem seinen Urlaub aus der Gewerkschaftskasse mitfinanziert hatte. Über seinen Einfluß im Politbüro, dem er seit 1975 angehörte, ist wenig bekannt. Nach der Wende warf er West-Politikern vor, Honecker bei ihren Besuchen hofiert zu haben: „Dadurch hob der immer mehr ab ...“

GÜNTER SCHABOWSKI (65): Seine Pressekonferenz am 9. November 1989, in der er praktisch den Fall der Mauer verkündete, machte den Journalisten berühmt. Der frühere Chefredakteur des Neuen Deutschland, der 1984 Mitglied des Politbüros wurde, ist der DDR-Politiker, der sich nach der Wende am stärksten öffentlich vom alten Kurs distanziert hat. Auch er hatte in der DDR eine typische Parteikarriere hinter sich. Als Leiter einer Zeitung in Hessen hat sich Schabowski beruflich inzwischen wieder etabliert.

GÜNTHER KLEIBER (63): Neben Günter Mittag war der gelernte Elektriker zuletzt der führende Wirtschaftsexperte im Politbüro, dem er seit 1984 angehörte. Anders als Mittag war er allerdings im Westen kaum bekannt. In der DDR-Regierung war Kleiber lange für Mikroelektronik, später für Maschinen- und Fahrzeugbau zuständig. dpa/taz