Die Kirchenglocken läuten zum Pogrom

■ Rumänisches Dorf vertreibt Roma

Bukarest (taz) – Wieder ist es am vergangenen Wochenende in Rumänien zu pogromartigen Ausschreitungen gegen Roma gekommen. Wie am Montag abend bekannt wurde, fand in der Nacht von Samstag zu Sonntag im Dorf Bicu, 20 Kilometer westlich von Bukarest, eine Auseinandersetzung zwischen Rumänen und Roma statt, bei der fünf Roma verletzt wurden, darunter zwei schwer. Einen Tag später brannten rumänische Dorfbewohner zwei Häuser der Roma nieder und versuchten andere anzuzünden.

Auslöser des Konfliktes war nach Darstellung der Polizei eine Schlägerei bei einem Fest. In den Streit zwischen mehreren Roma habe sich der 23jährige Rumäne Jean Dragomir eingemischt und die Roma mit einem Jagdgewehr bedroht. „Versehentlich“, sagte Dragomir aus, hätten sich aus dem Gewehr Schüsse gelöst – zwei Roma wurden schwer verletzt. Drei andere erlitten nach Angaben der Polizei im Laufe einer Schlägerei Verletzungen.

Am Sonntag abend versammelten sich gegen 19 Uhr, von Kirchenglocken zusammengerufen, mehrere Dutzend Dorfbewohner und brannten zwei Häuser der Roma nieder. Polizei und Feuerwehr trafen gegen 22 Uhr ein und hielten die Menge von weiteren Zerstörungen ab. Gegenwärtig befinden sich vier Roma in Haft. Das Haus der Familie Dragomir wird „aus Angst vor Racheakten“ der Roma, wie es hieß, von Gendarmen bewacht. Nachdem rumänische Dorfbewohner erklärt hatten, daß sie keine Roma in ihrer Ortschaft mehr dulden würden, sind mittlerweile alle Roma aus Bicu geflüchtet. Zurück wollen sie nicht.

In den vergangenen Jahren kam es in Rumänien zu Dutzenden Ausschreitungen gegen Roma, manche mit tödlichem Ausgang. In unmittelbarer Nachbarschaft des Dorfes Bicu, in Bolitin, hatten Dorfbewohner im Frühjahr 1991 zahlreiche Häuser der Roma angezündet und die Roma aus dem Dorf vertrieben. Keiner der Täter wurde verurteilt. Keno Verseck