Amnestieren statt ermitteln

■ SPD-, CDU- und FDP-Politiker wollen Straffreiheit für minderschwere DDR-Straftaten

Berlin (dpa/taz) – Eine Kommission zur Vorbereitung einer Amnestieregelung für minderschwere DDR-System-Straftaten hat der brandenburgische SPD-Vorsitzende Steffen Reiche gestern angeregt. Sie solle von den Ministerpräsidenten der neuen Länder einberufen werden. Allerdings dürfe es bei der Debatte über dieses Thema „nicht zu einem Schnellverfahren“ kommen. Wenn es nicht gelinge, breitere Akzeptanz zu organisieren, könne ein solcher Vorstoß nicht zur Befriedung der Gesellschaft beitragen.

Akzeptanz findet der Schlußstrich unter DDR-Unrecht mittlerweile auch bei Politikern der Regierungskoalition. Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser- Schnarrenberger (FDP) sprach sich gegen eine Verlängerung von Verjährungsfristen für entsprechende Straftaten aus. Der Vorsitzende des Rechtsausschusses des Bundestages, Horst Eylmann (CDU), plädierte für eine „Amnestie für kleine Delikte“. Die bisherigen Ermittlungsverfahren seien in der Masse ohnehin eingestellt worden, so Eylmann. „Wenn die Justiz in den neuen Ländern das genauso sieht und uns entsprechendes Material in die Hände gibt, dann werden wir über eine derart begrenzte Amnestie im Rechtsausschuß diskutieren.“

Der Europaabgeordnete von Bündnis 90/Die Grünen, Wolfgang Ullmann, verwies hingegen gegenüber der taz auf die Position der Opfer. Es dürfe nicht sein, „daß der Gesetzgeber ihnen das Recht beschneidet, gegen jene Anklage zu erheben, die ihnen unrecht getan haben“.

Nach Leutheussers Worten ist der Grund für eine weitere Verlängerung von Verjährungsfristen weitgehend entfallen. Die Verjährungsfrist war zuletzt 1994 wegen des schleppenden Aufbaus der Justiz in Ostdeutschland verlängert worden. Die Fristen laufen nun Ende des Jahres aus. Sie gelten für Straftaten, die mit höchstens einem Jahr bestraft werden. Offen ist die Regelung der Verjährungsfrist für mittlere Straftaten, die Ende 1997 ausläuft. dr

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