Aus der Welt der Briefmarke
: Alle Unwetter!

■ Bremen wird Briefmarke: Ernst Jünger (sic!) half zackig mit

Die Deutsche Bundespost – pardon, die Deutsche Post AG. die haben wir ja neuerdings – meint es wieder mal gut mit uns in Bremen: Nach Hafen (erschienen annodunnemals) und Roland (noch am Schalter erhältlich für 38 Pfennig bzw. zwei Mark achtzig) kommt nun ,,Der Weserturm in Bremen“. Phantastisch, das alte Wasserwerk wird wohl gemeint sein, nimmt man mal an (was wissen die von der Post-Info schon von den Bremer Besonderheiten?); der große, rotziegelte Kasten also an der Weser, angeblich auch umgedrehte Kommode genannt und bei Dunkelheit theatralisch leichenhaftgelb angeleuchtet, jedes Kind kennt das Ding - schön, daß auch mal so ein Industriedenkmal zu Briefmarkenehren kommt!

Und dann auch noch entworfen von Ernst Jünger, alle Wetter, ausgerechnet jetzt, nach dem ganzen Kresnik-Theater in Berlin und überhaupt. Aber warum eigentlich nicht? Unser Oggersheimer ist ja auch ein Freund von ihm und ist unlängst mit seinem anderen Freund Francois hinhelikoptert, und jetzt wo Jünger bald Hundert wird und dann seinen Strom umsonst geliefert kriegt oder so was, aber doch irgendwie mutig von der Post AG oder nicht? Kaum privatisiert, und schon weht ein anderer Wind!

Und außerdem hat man das ja auch nicht gewußt von Jünger, daß er nicht immer in Stahigewittern stehen muß oder auf den Marmorklippen; also jetzt mal was Kleines, Feines. Paßt aber zu ihm - die kleinsten Käfer und die Schmetterlinge sind ja seine Lieblinge, da versteht er was von. wie die Bremer sagen.

Man bloß, wenn man genau hinguckt, ist es gar nicht der Jünger, sondern ein ganz anderer. Auch Ernst, aber Professor in München. Und die alte Kommode ist auch nicht wahr, sondern ein echter Weserturm, 1932 gemalt von Franz Radziwill, davor so ein paar Häuser und eine Mauer, wirkt eher wie Oslebshausen, das Ganze - nach Angaben der Deutsche Post AG ein „Bauwerk im Stadtteil Walle“, das im Zweiten Weltkrieg zu Bruch ging. Bedrohlich nach Verfall und Untergang schaut's allemal aus, und der Garten gibt auch nichts her. Ob das nun so ein Kompliment ist für Bremen? Aber es ist ja schließlich ein Kunstwerk und gehört in die Postserie ,,Deutsche Malarei des 20. Jahrhunderts“. Von heute an kann man es für eine Mark am Postschalter erstehen. Otto Suhling