Was bleibt?

■ betr.: „Feierabendpolitik“, taz vom 23. 12. 94

Der Kommentator baut fast komplett auf Sachverhalten auf, die es so gar nicht gibt. Deshalb scheint mir eine Klarstellung zum Kommentar unerläßlich.

Zu Nowakowskis erster Aussage, auf eine Denkschrift (vor der Bundestagswahl) dreier Bündnisgrüner für eine Zusammenarbeit mit der PDS hin hätte es Dementis (von wem eigentlich?) gehagelt, und seitdem herrschte Funkstille bei uns Bündnisgrünen: schlicht falsch! Allein in der taz gab es mindestens drei Veröffentlichungen für eine Zusammenarbeit mit der PDS (Haberkorn, Brüggen/Esser, Schulz, Demba/Klotz), insgesamt gibt es zirka zehn verschiedene Positionspapiere in der Partei, und seitdem läuft auch die innerparteiliche Diskussion (im Landesausschuß, auf der LDK, in den Bezirken).

Zu seiner zweiten Aussage, auf Lothar Biskys Unterstützungs-Offerte an Rot-Grün hätte nun der Geschäftsführende Ausschuß (GA) eilfertig genickt (kann hier ja nur im bejahenden Sinne gemeint sein): schlicht falsch! Ich versuchte dem taz-Reporter Dirk Wildt fast eine halbe Stunde lang den Unterschied zwischen einem „ob“ und einem „ja“ klarzumachen: vergebens.

Zu seiner vierten Aussage, die Parlamentsfraktion hätte geschwiegen: schlicht falsch! Die Fraktionärin Elisabeth Ziemer redete in der „Berliner Abendschau“. Im übrigen verwies die Fraktion richtigerweise darauf, daß der GA und nicht sie die Partei repräsentiere.

Zu seiner fünften Aussage, der GA hätte sich der PDS angebiedert, ohne eigene Voraussetzungen oder Bedingungen für eine Kooperation mit der PDS zu formulieren: das Offenhalten der Möglichkeiten für eine Zusammenarbeit als Angebot zu interpretieren ist gesagt; das Gewagte dann noch mit dem Begriff der Anbiederung zu unterlegen ist demagogisch.

Zu seiner sechsten Aussage, die Bündnisgrünen überließen Positionierungen für eine Zusammenarbeit mit der PDS dem GA, anstatt wie die SPD einen Parteitag entscheiden zu lassen: schlicht falsch! Soll Nowakowski einfach mal den Artikel von Dirk Wildt vom 21.12. lesen; dort steht, daß eine Landesdelegiertenkonferenz im Februar die Bündnissituation zu den Berliner Wahlen diskutiert und möglicherweise Entscheidungen dazu trifft.

Was bleibt?

Einem Journalisten umfangreiche Uninformiertheit vorzuwerfen käme bestimmt einer Beleidigung gleich; deshalb lasse ich das. Andererseits – seine Informiertheit unterstellt – stellt sich die Frage, was diese Mischung aus Dichtung und Unterstellung bezwecken sollte.

Vielleicht hatte Nowakowski Probleme, ob (!) er Politik kommentieren oder selbst welche machen soll. Vielleicht hat sich aber auch bei ihm der Komplex festgesetzt, daß die Erwähnung der PDS im Zusammenhang mit Bündnisfragen immer nur unter gleichzeitiger Aufzählung der gesamten Abgrenzungs- und Einschätzungslage geschehen dürfe, damit nicht der Eindruck entstehe, es gäbe diese nicht.

Daß er à la long den GA auch noch als unwichtigstes Feierabend- Gremium der Partei bewütete, als ob wir ihm seinen Lachs vom Frühstücksbrötchen geklaut hätten, paßt. So isser eben, der Feierabendpolitiker Nowakowski. Michael Haberkorn, Mitglied im Geschäftsführenden Ausschuß

von Bündnis 90/Die Grünen

Berlin