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■ Filmstarts à la carteGeilheit, Melancholie und Smogalarm

Heftige, den gemeinen Menschen fast überfordernde Glücksgefühle berücken einen, wenn man nach dem Genuß von viel zuviel Pulp Fiction noch eine Dosis Travolta nachlegt, und zwar in Form des seinerzeit doch relativ verachteten Saturday Night Fever einerseits und Grease andererseits. Man kann dort die Wurzeln von dem beobachten, was inzwischen als „Italians do it better“- Genre gepriesen, geehrt und bejuchzt gehört. Tarantino, Ferrara, aber auch Madonna, Stallone und Harvey Keitel (mit Scorsese als Paten) gehören in dieses Charakterfach. „Saturday Night Fever“ spielte, wo die B-Klasse der Italo- Liga spielen mußte: Im Working- class-Unterhemden-Dosenbier- Mamma-mia-Goldkettchen-Revier mit dem irreführenden Namen Bay Rich, Brooklyn. „Was ist los mit dir“ heißt hier noch „Whatsamatter wichou“, das „th“ ist mit den letzten Vertretern der Mittelklasse nach Manhattan ausgewandert, und in Travoltas Zimmer, direkt neben seinem Spiegel, hängt ein Goldkettchen-Porträt von Al Pacino. Beim Essen schlägt die Mutter den Vater überm dampfenden Spaghettitopf, Vater schlägt Sohn, Sohn schlägt Tisch, Schwester schenkt Bruder ein hübsches Aquarell. Der nicht anwesende Bruder ist Priester. Travolta wird eingeführt mit einem langen Tracking-Shot, der ihn durch die Straßen begleitet. Die Luft ist feucht, seine Augen auch, in ihnen liegt ein einfach umwerfendes Gemisch aus Geilheit, Trauer und Smogalarm, bei dem man sich doch einfach hinlegen muß, nur hat einen wieder keiner darum gebeten. Magnetisiert, ohne Ansehen der Person, bleibt sein Blick an gewissen Hintern hängen, die an ihm vorbeigehen, unwillkürlich muß er die Richtung wechseln und ihnen folgen; eine Wunschmaschine, die kein Vaterland kennt.

Warum haben wir damals diesen Film nicht viel entschiedener gefeiert. Es ist unglaublich viel mehr Körper darin, als man sich das in seinen Post-Achtziger-Verhinderungs-Filmen noch überhaupt vorstellen kann. Sehr detailliert geht es zum Beispiel um die verschiedenen Arten von Nummern im Auto: Wer darf das Auto wie lang haben; als Travoltas Kumpel mit seiner Abenderoberung vögelt, stehen schon die nächsten vor dem Fenster und schauen einerseits ungeduldig, andererseits liebevoll wie die Sekundier-Pärchen im Pornofilm zu. „Ich bin fertig, aber sie nicht!“ Pappa don't preach: Teenage- Schwangerschaften als Problemfall stehen neben einfach absolut wundervollen Rotlicht-Aufnahmen des halbnackten Travolta, der sich für Samstagnacht kämmt, aus Kniehöhe aufgenommen, die einen schon um das letzte bißchen Verstand bringen.

Das Klasseste sind natürlich die Tanzszenen vom Samstagabend. Wie Sie sich erinnern werden, sind sie stets in puffartiges Rotlicht getaucht, hinter der Bar gibt es auch eine kleine Bühne für Striptease. Meine Lieblingschoreographien sind die Massenaufzüge auf der Tanzfläche, bei denen Travolta und eine Frau anfangen und einer nach dem anderen sich einfädelt, so daß es schließlich wirkt, als hätten sie eine Fließband-Produktion zu bewältigen. Es ist Prolo-Stolz, Potenz, wem Potenz gebührt. „More than a woman / more than a woman to me- he-he.“

Even sweeter, wenn das noch möglich ist, ist Grease, der an der Highschool spielt, wo sich am Strand eine Sommer-Romance zwischen Travolta und der doofen Newton-John angebahnt hat, die dann aber für den Männerbund dran glauben muß. Nachdem beide durch ihre Peers geläutert werden, tanzen sie schließlich „You better shape up / 'cause I need a man“ und fahren zusammen in den Teenage-Heaven, natürlich erst mit dem Abschluß in der Tasche. Einfach wundervoll und eine grandios elegante Idee des Checkpoint, an das an dieser Stelle ein Hurra ergehen soll. mn

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