piwik no script img

„Der geht gegen jeden vor“

■ Marzahner Brandstifter ist in seinem Wohngebiet kein Unbekannter und durch Trinkerei zum Sozialfall geworden

Der 51jährige Rentner Harald T., der von der Polizei verdächtigt wird, in der Silvesternacht den Elektro-Rollstuhl des Äthiopiers Nemera Desisa angezündet zu haben, ist in Marzahn kein Unbekannter. Michael H. hatte bereits zweimal Anzeige gegen ihn erstattet. Wie Harald T. gestand, hat er Michael H. am 2. Januar die Wohnungstür angezündet – aus Rache, wie H. vermutet.

„Nach Monaten haben wir ihn endlich dabei erwischt, wie er seine leeren Schnapsflaschen aus dem neunten Stock wirft“, sagt Michael H. Schon mehrfach hatte er seine drei Hunde zum Tierarzt bringen müssen, weil sie sich durch die Scherben verletzt hatten. Ende September hatte T. mit einem Kumpel einen taubstummen Mieter zusammengeschlagen. Als dieser sich nicht traute, Anzeige zu erstatten, übernahm dies H. für ihn. Danach hätte T. Michael H. gedroht, ihn umzubringen. „Mein Eindruck ist, daß der gegen jeden vorgeht, der einmal etwas gegen ihn unternommen hat“, sagt Michael H.

Ein paar Häuser weiter wohnt Desisa. T. besucht täglich Desisas Nachbarn, der nach Angaben von Mietern ein bekennender Neonazi ist. Einige vermuten, daß er hinter dem Brandanschlag steckt. Desisa ist Harald T. ab und zu im Treppenhaus begegnet. Manchmal haben sie sich gegrüßt, Gespräche oder Streit gab es keinen. „Aber er sieht mich auf der Treppe immer komisch an, seit ich mit meinem Nachbarn Probleme habe. Wenn er etwas gegen mich hat, dann nur, weil er der Freund von meinem Nachbar ist“, meint Desisa.

Die Polizei ist mit ihren Ermittlungen noch nicht weiter gekommen. Michael H. beklagt sich über die Kripo: „Die wissen, daß wir nach dem Brand jede Nacht Wache gehalten haben, weil wir Angst vor weiteren Racheakten hatten. Die haben uns bis heute nicht benachrichtigt, daß der Täter in U-Haft sitzt. Wir haben das nur aus den Medien erfahren.“

Über Harald T. erzählt er: „Der hat Probleme gehabt. Der hat nach der Wende ein Grundstück an einen Wessi verkauft und sich zu dämlich angestellt.“ Obwohl es ein Pachtkauf war, ließ er das Stück Land beim Grundstücksamt gleich auf den Käufer übertragen. Nach der ersten Rate zahlte dieser nicht mehr. Sich einen Rechtsanwalt zu nehmen, „hatte der nicht drauf“. T. hätte angefangen zu trinken und sei immer mehr abgeglitten. Dorothee Winden

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen