piwik no script img

Mein Schotte ist Ausländer

■ Eine Änderung der Ausländerregel im englischen Fußball würde eine Revolution bedeuten, nur noch zu vergleichen mit einer Änderung der Pub-Öffnungszeiten

Amsterdam/London (taz) – Wenn Irland gegen Nordirland antritt, dann kann es schon mal passieren, daß keiner der 22 Akteure tatsächlich aus einem der beiden Länder kommt. Noch ist es so, daß auf den beiden Inseln die überall sonst in Europa geltenden Ausländerregeln außer acht gelassen werden, wenn es um Engländer, Schotten, Waliser, Nordiren oder Iren geht. Für den englischen Fußballbund (FA) sind in traditioneller Abgrenzung bislang nur diejenigen Europäer Ausländer, die vom Kontinent und mithin „aus Europa“ kommen. Diese Regel beinhaltet zwar auch Spieler aus den ex-britischen Kolonien, nicht aber jene, die mehr als fünf Jahre in England wohnen oder sogenannte „assimilierte Ausländer“, die zwar nicht auf der Insel geboren sind, aber mindestens fünf Jahre für ihren Club (davon drei Jahre in der Jugendabteilung) gespielt haben.

Das erlaubte es den Auswahl- Verbänden, sich entsprechend der Spieler-Omas und -Opas ihre bisweilen etwas exotischen Teams zusammenzustellen. Noch diesen Monat will, wie die holländische Zeitschrift Fußball International zu wissen glaubt, die FA entscheiden, ob künftig tatsächlich nur drei Spieler auf den Feldern der englischen Ligen stehen dürfen, die nicht-englischen Verbänden angehören. Schotten, Waliser etcetera würden zu echten Ausländern – im eigenen Staat. Das jedoch dürfte in England wie eine Kulturrevolution angenommen werden, vergleichbar nur noch mit einer Veränderung der Pub-Öffnungszeiten.

Bislang ist die Situation in der Tat merkwürdig. Anfang der 80er Jahre hatte die EG versucht, die von ihr angestrebten freien Arbeitsplätze innerhalb der EG auch beim Fußball durchzusetzen. Das hätte beim Fußball bedeutet, daß Spieler aus EG-Staaten nicht mehr unter Ausländerklauseln hätten fallen können.

Die UEFA wehrte sich dagegen, weil sie befürchtete, fortan würde die Entwicklung von Talenten in jenen Ländern gebremst, deren reiche Clubs sich „fertige“ Spieler von überallher kaufen würden. Im Fall der englischen Clubs ist die Situation derzeit besonders paradox. Spielen sie im Europapokal, dann gelten die Schotten, Waliser und Iren als Ausländer, in der englischen Premier League aber eben nicht.

Die FA fängt aber nach dem Ausscheiden der englischen Nationalmannschaft vor der 94er WM gegen Norwegen und Holland sowie dem mäßigen Abschneiden der Mannschaften im Europacup an, umzudenken. Plötzlich heißt es, die Anwesenheit der vielen nicht-englischen Fußballer würde die Entwicklung von Talenten behindern. Es ist den Fußball-Beamten auch nicht entgangen, daß die englischen Teams im Europacup schlecht abgeschnitten haben, weil sie dort ihre eingespielten Teams auseinanderreißen mußten.

Clubs wie Aston Villa, Leeds United und Manchester United könnten die großen Verlierer dieser neuen Regelung sein. Alex Ferguson, Manager von Manchester United, sagt: „Es wird ein Unglück sein für einen Club wie den unseren, der knallhart an der Entwicklung von Talenten aus Schottland, Wales, Nordirland gearbeitet hat.“ United hat neben dem Dänen Schmeichel, dem Russen Kantschelskis, dem Franzosen Cantona unter anderen auch den walisischen Sturmführer Mark Hughes sowie das angeblich größte Talent im britischen Fußball, den Nordiren Giggs, und diverse andere im Team. Und im Kader drängen Talente von der ganzen Insel nach. „Wenn diese Pläne durchgehen“, warnt also Alex Ferguson, „dann wird für diese Jungs die Tür zugeschlagen, und sie können ihren Traum von einer Karriere bei einem großen englischen Club vergessen.“ Die Übernahme der UEFA-Regel würde vermutlich auch das Ende der Auswahlteams von Schottland, Wales, Nordirland, möglicherweise auch Irland bedeuten. Die Spieler englischer Clubs würden es sich gut überlegen, ihre Stellung im Verein durch Wechsel des Passes zu gefährden. Falk Madeja

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen