Unnötige Fronten

■ betr.: „Warten auf den nächsten Parteitag“, taz vom 30.12.94, Lese rInnenbriefe „Dany contra Joschka“, taz vom 5. 1. 95

Auch der imposanteste Begriff nutzt sich irgendwann ab, falls er den Test der Wirklichkeit nicht besteht oder meidet. Wenn Fischer und Cohn-Bendit sich mit den „gewaltfreien Konfliktlösungsstrategien“ (GFKLSTR) nicht befassen, so kann ihnen das nicht zum Vorwurf gemacht werden, solange die Befürworter zwar Nachdenken darüber bei anderen anmahnen, sich selber indessen auf die ständige Wiederholung des Begriffes beschränken.

Wenig überzeugend ist es auch, wenn das Verhalten der Dänen im Zweiten Weltkrieg, der Ruhrkampf 1923 oder Gandhi zu Kronzeugen für die Verwirklichung von GFKLSTR gemacht werden: Dänemark war noch im April 1945 deutsch besetzt, im Ruhrkampf mußte die deutsche Regierung klein beigeben, Gandhi betonte selbst immer wieder, daß sein Vorgehen gegen Japaner oder deutsche Nazis wenig Sinn gemacht hätte.

Heutzutage geht es bei der Frage der Militäreinsätze darum, schnell und gründlich Gewalt gegen Flüchtlinge, ethnische Minderheiten oder politische Opposition abzustellen. Das ist eine Frage von Wochen, am besten nur Tagen.

GFKLSTR wirken leider – wenn überhaupt – nur langfristig. Ihr scheint selber eine Vorliebe für das Errichten unnötiger Fronten zu haben, wenn Ihr GFKLSTR in Gegensatz zu Militäreinsätzen stellt. Selbstverständlich müssen die Frauen in Schwarz in Serbien oder die Versuche armenischer und aserbaidschanischer Frauen, den Haß ihrer Landsleute einzudämmen, unterstützt werden; ebenso selbstverständlich müssen sich gerade grüne Politiker mehr mit den Friedensaktivisten vor Ort in Verbindung setzen. Aber durchgreifende Hilfe für die Menschen in Somalia oder Ruanda kann nur mit einer militärischen Intervention ermöglicht und gesichert werden. Das soll den Konflikt nicht lösen, sondern die Form seiner Austragung ändern. Die Alternative kann ja wohl nicht sein, den Flüchtlingen statt dessen „Betreuung zur Konfliktverarbeitung“ anzubieten, wie die NRW-Grünen vorschlagen, so als wäre ihnen nicht übel mitgespielt worden, sondern sie nur etwas falsch verstanden hätten. Auch die Grünen sind nicht berechtigt, sich auf Kosten anderer mit ihrer moralischen Unangreifbarkeit aufzuspielen. Paul Grosch, Aachen