Hahnenkampf vor dem Elysée-Palast

■ Frankreichs Rechte zerfleischt sich vor dem Wahlkampf

Paris (AFP) – In Frankreich ist es innerhalb der bürgerlich-konservativen Regierung wegen der Präsidentschaftskandidatur des Gaullisten Jacques Chirac zum offenen Streit gekommen. Wenige Tage vor der erwarteten Kandidatur von Premierminister Edouard Balladur forderte Chirac eine Berufsarmee. Der Grundwehrdienst von derzeit zehn Monaten ist bei den jungen Wehrpflichtigen in Frankreich sehr unbeliebt. Chirac schlug vor, verschiedene Formen eines zivilen Dienstes zu prüfen und „in fünf bis zehn Jahren“ eine Berufsarmee aufzustellen.

Verteidigungsminister François Léotard, ein Anhänger von Balladur, bezeichnete dies daraufhin als „Demagogie“: „Ich bedauere, daß diese Frage vor jeder Wahl auf demagogische Weise behandelt wird. Ich glaube nicht, daß man eine Wahl gewinnen kann, indem man sich bei den Leuten einschmeichelt.“ Im Gegenzug warf Außenminister Alain Juppé, ein Vertrauter von Chirac, seinem Kabinettskollegen vor, die Absprache für einen fairen Umgang zu mißachten.

Balladur und Chirac gehören beide der Gaullistenbewegung RPR an. Léotard zählt zu dem Dutzend von Ministern, die eine Kandidatur Balladurs unterstützen. Als Anhänger von Chirac haben sich im Kabinett bislang nur drei Minister zu erkennen gegeben, darunter Juppé, der von Chirac für eine Übergangszeit auch den RPR-Parteivorsitz übernommen hat. Der Premierminister, der in allen Umfragen vorne liegt, bekräftigte, daß er die Entscheidung über eine Kandidatur in der nächsten Woche bekanntgeben will. Nach dem Wahlsieg der bürgerlichen Rechtsparteien im März 1993 hatten die beiden konservativen Politiker ursprünglich vereinbart, daß Balladur das Amt des Regierungschefs übernimmt und Chirac sich auf das höchste Staatsamt vorbereiten kann. Der erste Durchgang der Präsidentschaftwahl ist am 23. April.