Uno verstärkt Druck auf Sarajevo

■ Ex-Präsident Jimmy Carter reist erneut nach Bosnien

Genf (taz) – Mit einem semantischen Trick bemüht sich die Bosnien-Kontaktgruppe, die de-facto- Aufgabe ihres Bosnien-Teilungsplans zu verschleiern – und dennoch die Aufnahme neuer Direktverhandlungen zwischen den Kriegsparteien zu erreichen. Der Plan soll künftig nur noch „Basis und Ausgangspunkt“ für eine neue Runde sein. Mit dieser Formel begaben sich die fünf Mitglieder der Kontaktgruppe gestern zunächst nach Belgrad. Heute wollen sie in Sarajevo und Pale und morgen in Zagreb Gespräche führen. Die bosnische Regierung setzt jedoch weiter darauf, daß der „Ausgangspunkt“ für eine neue Verhandlungsrunde die vorherige verbindliche Annahme des Plans durch die bosnischen Serben sein muß.

Der Plan der Kontaktgruppe sah 51 Prozent des bosnischen Territoriums für die muslimisch-kroatische Föderation und 49 Prozent für die Serben vor. Die Pale-Serben hatten den Plan fünf Monate lang ganz abgelehnt. Nachdem die Kontaktgruppe ihnen Anfang Dezember informell die Möglichkeit zu einer Konföderation mit Serbien sowie Veränderungen der Teilungskarte zu ihren Gunsten zugesagt hatte, erklärte sich Serbenführer Karadžić zu Verhandlungen auf der „Basis“ des Plans bereit.

Zu weiteren Verhandlungen über den von ihm vermittelten, aber bis heute von den Serben nicht eingehaltenen Waffenstillstand wird der ehemalige US-Präsident Jimmy Carter heute erneut nach Pale und Sarajevo reisen. Die Pale-Serben fordern inzwischen 64 Prozent Bosniens und das Recht, nach einer zweijährigen Phase der Konföderation mit Serbien in einer Volksabstimmung zwischen dem völligen Anschluß an Serbien oder einem unabhängigen Staat zu entscheiden.

Mit einer Entscheidung, weitere Sanktionen gegen Serbien aufzuheben, wird der UNO-Sicherheitsrat heute möglicherweise den Druck auf die Regierung in Sarajevo verschärfen, sich der neuen Kontaktgruppen-Formel für Verhandlungen zu beugen. Am morgigen Freitag läuft die 100-Tage- Frist ab, für die der Rat Anfang Oktober 1994 unter anderem die Wiederaufnahme des zivilen Flugverkehrs nach Belgrad genehmigt hatte. Die Jugoslawienvermittler von EU und UNO, Owen und Stoltenberg, haben dem Sicherheitsrat die Verlängerung dieser Genehmigung sowie die Aufhebung weiterer Sanktionen empfohlen. Grundlage dieser Empfehlung ist der jüngste Bericht des Chefs der internationalen Beobachtergruppe an der Grenze zwischen Serbien und Bosnien vom 4. Januar. Laut Pellnas hält sich Belgrad angeblich weiterhin an die im September verhängten Embargomaßnahmen gegen die bosnischen Serben.

Dieser Darstellung widersprechen US-amerikanische Geheimdienste. Nach deren Erkenntnissen hat die Armee Serbiens zum Beispiel in der Nacht vom 27. zum 28. November 1994 Hunderte von SA-2 und SA-6 Raketen über die Grenze nach Bosnien transportiert. Mit ihnen können die bosnichen Serben nach Nato-Erkenntnissen inzwischen mindestens 40 Prozent des Luftraums über Bosnien kontrollieren. Die Regierung Clinton hat diese Erkenntnisse bis heute jedoch weder den anderen vier Kontaktgruppenstaaten noch im UNO-Sicherheitsrat vorgelegt. Andreas Zumach