Türkei noch schöner als Sachsen

■ Sachsens Innenminister Eggert: Abschiebestopp für Kurden nicht verlängern / Freisprüche in Ankara

Dresden/Bonn (taz) – Eine Verlängerung des am 20. Januar auslaufenden befristeten Abschiebestopps für in der Bundesrepublik lebende KurdInnen ist laut Sachsens Innenminister Heinz Eggert (CDU) nicht notwendig. Zu dieser Einschätzung kam Eggert, der auch Sprecher der CDU- Länder in der Innenministerkonferenz ist, nach einem dreitägigen Informationsbesuch in Ankara.

Ankaras Innenminister Nahit Mentese hat Eggert angeblich zugesagt, für die Ankunft abgeschobener KurdInnen auf türkischem Territorium und während der ersten Vernehmungen auf dem Flughafen unabhängige BeobachterInnen und unabhängige Ärzte zuzulassen. Eine entsprechende Vereinbarung könnte, so Eggert, „innerhalb kürzester Zeit“ unterzeichnet werden. Deshalb sei eine Verlängerung des Abschiebestopps „nicht angemessen“. Sprecher der Bundesregierung wollten gestern in Bonn zu Eggerts Vorstoß nicht Stellung nehmen. Bundesinnenminister Manfred Kanther (CDU) hat den Abschluß einer solchen Vereinbarung stets befürwortet.

Skeptisch zu Eggerts Vorschlag äußerten sich in Bonn Vertreterinnen der Opposition. Die SPD-Abgeordnete Cornelie Sonntag-Wolgast erklärte, für die Beendigung des Abschiebestopps gebe es „überhaupt keinen Grund“. Auch ein Abkommen, wie es Eggert anstrebe, werde voraussichtlich an der Haltung der SPD nichts ändern. Die Abgeordnete Angelika Beer (Bündnis 90/Die Grünen) warnte ebenfalls davor, auf vertragliche Zusicherungen der türkischen Regierung zu bauen. „Eggert macht sich zum Handlanger der türkischen Politik der Kurdenverfolgung“, sagte Beer. Bis die Menschenrechte in der Türkei nachweislich eingehalten würden, müsse der Abschiebestopp bleiben. Beide begrüßten die Ankündigung des Landes Sachsen-Anhalt, gemeinsam mit Schleswig-Holstein im Bundesrat für einen größeren Entscheidungsspielraum der Länder beim Erlaß eines Abschiebestopps zu kämpfen. Nach dem geltenden Ausländergesetz kann Bundesinnenminister Kanther stets Einstimmigkeit der Länder verlangen. Die PDS forderte die Einstellung der militärischen, polizeitechnischen und wirtschaftlichen Hilfe für die Türkei.

Eggert widerrief gestern auch seine Kritik an der Informationspolitik des Bonner Auswärtigen Amtes, kritisierte jedoch dessen Amtschef Klaus Kinkel (FDP). Kinkels Forderung, den Abschiebestopp zu verlängern, sei nach den zutreffenden Lageberichten aus seinem eigenen Amt „um so verwunderlicher“. Das Außenamt hatte in seinen Berichten eine Verfolgung von Kurden in der Türkei wegen ihrer „Volkszugehörigkeit“ ausgeschlossen. Am 19. Januar, einen Tag vor Ablauf des bundesweiten befristeten Abschiebestopps für KurdInnen, wird Eggert vor dem Bundestag über seine Reise berichten. Die im Bonner Auswärtigen Amt gehandelte These von der „innerstaatlichen Fluchtalternative“ für Kurden habe er in Ankara während „aller“ Gespräche mit Parlamentariern und Menschenrechtlern bestätigt bekommen, erklärte Eggert. Angeblich hätten sowohl der türkische Innenminister als auch der Vorsitzende des Menschenrechtsvereins der Türkei, Akin Birdal, bestätigt, daß es „keinen einzigen Fall“ gebe, wo „Kurden in der Türkei allein wegen ihrer ethnischen Zugehörigkeit verhaftet und verfolgt worden sind“. Verfolgungen gebe es lediglich wegen des Verdachts einer Zusammenarbeit mit der PKK. „Kein abschließendes Urteil“ wollte der CDU-Politiker zum Prozeß gegen die acht kurdischen ParlamentarierInnen abgeben. Die Urteilsbegründung sei „noch nicht geschrieben“.

Unterdessen hat das Staatssicherheitsgericht in Ankara gestern überraschend in zwei getrennten Verfahren sechs prominente türkische Menschenrechtler von der Anklage der Separatismus-Propaganda freigesprochen. Darunter war auch Akin Birdal, mit dem sich Eggert getroffen hatte. Bei der Urteilsverkündung waren Vertreter aller 15 Botschaften der Länder der EU anwesend. Detlef Krell/Hans Monath