Neue Freiheit in den Bürgerhäusern

■ Die Bürgerhäuser sind seit einem Jahr selbständig: Geld ist knapp, die Motivation dafür umso größer

„Mit der Selbständigkeit kommen wir besser klar, als wir das vor einem Jahr gedacht hätten“. Wolfgang Schulz, Leiter des Bürgerhauses in der Neuen Vahr, ist nach einem Jahr Unabhängigkeit erleichtert. Damals befürchteten er und die anderen sieben BürgerhausleiterInnen in Bremen, daß sozial Schwache ausgegrenzt werden, die Bürgerhäuser platt gemacht, gewachsene Stadteilkulturen vernichtet werden.

Kurz nachdem Kultursenatorin Helga Trüpel das Ressort 1991 übernommen hatte, war klar, daß bei den acht Bürgerhäusern in Bremen gespart werden muß: zu teuer, zu starr, zu aufgebläht. Die Stadtteileinrichtungen waren zudem noch in einem Dachverband zentralistisch organisiert. Trüpel schickte 1993 Fachleute ans Werk, die den Verband durchleuchteten. Ahnungen bestätigten sich: „Durch den Verband findet keine Entwicklung und Förderung der Bremer Bürgerhäuser statt.“

Trüpel hatte den Posten „Bürgerhäuser“ schon mit 900.000 Mark Schulden übernommen. Der ineffiziente Dachverband verschlang zudem jährlich rund 500.000 Mark. Im vergangenen Jahr wurde er daher aufgelöst und Konzepte für die freigesetzten Bürgerhäuser entwickelt. Nach einem Jahr mit viel Geschrei und Ängsten unter den MitarbeiterInnen der Häuser, sind sie nun zumindest schuldenfrei, wie Trüpel gestern versicherte.

Rund 600.000 Mark im Jahr bekommen die Häuser nun vom Kulturressort. Davon müssen sie die festen Kosten wie Strom, Wasser und Personal bezahlen, ein kleiner Teil bleibt für Projekte übrig. Das reicht bei weitem nicht für die vielen Angebote in den Stadteileinrichtungen. Sie selbst müssen pro Jahr und Haus nochmal rund 140.000 Mark aufbringen, um arbeiten zu können. Aber sie sind für das Geld selbst verantwortlich: Bleibt mal etwas übrig, können die Häuser unabhängig über das Geld entscheiden.

Die Kultureinrichtungen erleben ihre neue Freiheit ganz unterschiedlich. Als Vorbild galt vielen das Bürgerhaus Weserterassen. Der Verein gründete eine GmbH, die die lukrative Kneipe an der Weser betreibt. Bei Biergartenwetter im Sommer eine Goldgrube, die den Verein unterstützt. Eine solche Art Kneipe würde aber z.B. in der Neuen Vahr nicht laufen. Leiter Wolfgang Schulz hat sich daher auf andere Dienstleistungen spezialisiert. Er vermietet die Räume für Tagungen an Gewerkschaften oder den Apothekerverband. Während der Woche hüten er und seine MitarbeiterInnen Kinder und kassieren vom Sozialressort. Das war froh über das Angebot, denn die gesetzlich versprochenen Kita-Plätze reichten in der Vahr vorher nicht aus.

Schulz findet die „Selbständigkeit positiv und vorteilhaft“. Schulz kann besser planen, überblickt immer am Ende des Monats die über alles Kulturleben entscheidende Finanzlage

In Oslebshausen überlebte das Bürgerhaus sein erstes unabhängiges Jahr nur durch die BürgerInnen. „Es engagieren sich viel mehr Leute hier als vorher“, sagt Leiter Ralf Jonas, er hat „einen enormen Motivationsschub in Oslebshausen“ beobachet. Die BewohnerInnen haben im vergangenen Jahr das ganze Haus gestrichen, vieles repariert. Geschäftsleute aus der Gegend spenden dann und wann etwas aus ihren Läden. Außerdem vermieten die Oslebshausener ihren Saal für Hochzeitsfeiern oder veranstalten selbst einen „Dans op de Deel“. Regelmäßige BesucherInnen des Hauses werden mit rund 50 Mark im halben Jahr zur Kasse gebeten.

„Manche Gruppe oder Klientel fällt da weg“, weiß Jutta Schemmer-Erling, Leiterin in Hemelingen. Auch sie war gezwungen, rund fünf Mark pro Abend im dortigen Bürgerhaus zu nehmen. „Das ist zwar immer noch günstig, aber für manche einfach zu teuer“. Ansonsten unterstützen sie die Firmen im Stadtteil, deren Belegschaften im Bürgerhaus ein und aus gehen und mal einen Bus oder ein Gerüst zur Verfügung. Dennoch findet auch Schemmer-Erling die neue Freiheit „positiv“. fok