Abenteuer Spielplatz

■ Das neue Jahr wird für den Abenteuerspielplatz Kreutziger Straße das letzte sein / Hier werden nicht nur Hütten gebaut, sondern auch Probleme gelöst

„Sieht toll aus, nicht?“ Kessy lacht. Ein Weihnachtsbaumhändler um die Ecke hatte den Kindern geschenkt, was in keinem Wohnzimmer mehr untergekommen war. Jetzt haben sie einen grünen Tannenzaun, Feuerholz, Material für Hüttendächer. Und es duftet nach Wald.

Der Abenteuerspielplatz Kreutziger Straße in Friedrichshain wird dieses Jahr nicht überleben. Ein Drittel des Geländes gehört der Immobilienfirma Commercial, und die will noch im Sommer beginnen zu bauen. „Wir haben keine Kraft und vor allem kein Geld mehr, um uns mit Prozessen und anderen Aktionen noch länger gegen die Vertreibung zu wehren“, meint Kessy, die zum Vorstand des „Abenteuerspielplatz Friedrichshain e.V.“ (ASP) gehört.

Mitte Dezember, als die Commercial eine einstweilige Verfügung zur Räumung des Grundstücks erwirken wollte, steckten der ASP-Truppe bereits wochenlange Mahnwachen in den Knochen. Fast rund um die Uhr, unterstützt von einer immer größer werdenden Zahl Kinder, hatten sie auf dem Platz ausgeharrt. Bands spielten gegen die Angst, daß eines Morgens die Bagger anrollen könnten.

Verein und Immobilienfirma einigten sich vor Gericht. „Wir versprachen, von der Commercial beauftragte Unternehmen auf das Gelände zu lassen, die den Boden nun auf Kontaminierung und alte Munition hin untersuchen. Vermutlich findet sich auch etwas, was Grund genug bietet, den Platz letztlich dichtzumachen“, ahnt Kessy. Einen Räumungstitel, so Friedrichshains Jugendstadtrat Frank Wilde (CDU), könne die Immobilienfirma allerdings erst dann erwirken, wenn ihr das gesamte Gelände des Abenteuerspielplatzes gehört. Der Senat sei jedoch bereit, jene zwei Drittel der Fläche, die noch dem Land Berlin gehören, an die Commercial zu veräußern.

Eine politische Gegenwehr aus dem Bezirk für den Erhalt des Spielplates gab es kaum. Für Friedrichshain wichtige Wohnungen sollen entstehen. „Ich finde es verlogen, es als sozial zu deklamieren, wenn in einem Gebiet, in dem besonders viele Familien unter unzumutbaren Bedingungen hausen, Ein- und Zweiraumwohnungen gebaut werden, finanziert auf dem 2. Förderweg, also für Leute, deren Gesamteinkommen die für Wohnberechtigungsscheine festgelegten Grenzen um nicht mehr als 200 Prozent übersteigt“, meint Kessy. Auch Bezirksbürgermeister Helios Mendiburu sei nicht bereit, sich „für einen Haufen Müll“ zu engagieren, so die junge Frau über das jüngste Gespräch mit dem Bezirksbauamt. Dabei habe die SPD- Fraktion in der BVV einen Beschluß in die Wege geleitet, demzufolge „jedwede Veränderung unterbunden und verhindert wird, der die Einrichtung eines solchen Spielplatzes (oder eines angemessenen Vergleichs) auf Dauer verhindern könnte.

Kessy vermutet bei Mendiburu eine Art Besetzersyndrom. „Er begreift nicht, daß wir keine homogene Masse sind, und will unsere Funktion als soziales Auffangbecken nicht wahrhaben.“ Bei dem Wetter kommen die Kids ins Kindercafé, das der Verein in der Kreutziger Straße 19 betreibt. An manchen Nachmittagen sind es zehn, zwanzig Jungen und Mädchen.

„Je länger wir hier arbeiten, um so deutlicher wird uns das Ausmaß der Probleme im Bezirk.“ Zehn-, Zwölfjährige, manche noch jünger, versuchten, dem Streß mit den Eltern zu entfliehen, brauchten Schutz, manchmal nur jemanden zum Quatschen. „Wir können sicher nicht alle ihre Probleme lösen, aber wenn der Platz weg ist, gibt es keinen Ort in der Nähe, wohin sie gehen können.“

Jugendstadtrat Wilde sieht die Gefahr, daß die Schließung des Abenteuerspielplatzes auch die Räumung der angrenzenden besetzten und vertraglich legalisierten Häuser nach sich zieht. „Niemand, der hier hübsche Häuser baut, wird die bunten Häuser neben sich dulden.“ Wilde habe sich aus diesem Grund mit der Bitte an den Regierenden Bürgermeister Diepgen gewandt, der Commercial ein Ausgleichsgrundstück zur Verfügung zu stellen, was die Immobilienfirma zu nehmen bereit gewesen wäre. „Die Senatskanzlei lehnte ab, reduzierte das gesamte Problem wieder nur auf den Spielplatz.“ Und dafür wurde de facto ein Ersatz zur Verfügung gestellt, in einiger Entfernung zur Kreutziger Straße und mit neuem Träger. „Natürlich gibt es auch andere Spielplätze“, meint Kessy. Friedrichshain habe bekanntlich einen enormen Nachholbedarf. Doch die Plätze sehen letztlich alle gleich aus. Die Kids können toben, mehr aber nicht. Kaputtmachen vielleicht noch. „Ein Abenteuerspielplatz bietet viel mehr. Das ist sicher nicht so bequem für manchen Anwohner, weil Hämmern und Sägen natürlich auch laut ist. Doch allemal besser, als wenn die Kids ihrer Energie anderswo freien Lauf lassen.“ Kathi Seefeld