Unorte: Sofas Von Claudia Kohlhase

Ein Sofa ist wirklich kein Ort. Das fängt schon an, wenn man sich draufsetzt. Wohin setzt man sich denn da mirnichtsdirnichts? Exakt: ins Nichts. Oder ist da etwa irgend etwas außer einem Sofa? Eben. Und auf dem Sofa ist auch nichts. Und passieren tut? Nichts. Kontemplative Gemüter springen jetzt aber vor Empörung auf ihren gemütlichen Sprungfedern hin und her und beschweren sich, ich hör's schon, und von mir aus können sie gerne Leserbriefe schreiben. Leserbriefe sind auch ein hübscher Unort, also Vorsicht, wer jetzt gerade einen Leserbrief anfängt, und das auch noch wegen eines Sofas und nicht wegen einer wirklich empörenden Wichtigkeit; und wen interessiert schon, wo manche Menschen überall rumsitzen und warum sie keinen Stuhl benutzen.

Vielleicht haben sie ja gar kein Sofa, sondern gerade mal eine tropfende Teekanne ohne Tülle. Wobei mir entfallen ist, was Tülle eigentlich genau bedeutet, wahrscheinlich soviel wie Sprungfeder beim Sofa, denn ein Sofa ohne Sprungfeder ist ja wie eine Teekanne ohne Tülle, jedenfalls mein Sofa. Ich weiß nicht, wo die Sprungfeder genau verblieben ist, aber ich hoffe, sie hat es gut, wo immer sie jetzt ist. Ich meine, es sieht mich ja keiner, wenn ich sitze, weil ich im Grunde aus dem Bild gefallen bin oder zumindest durch dieses Loch, das früher meine Sprungfeder war. So schlecht, wie manche immer behaupten, ist es auf dem Boden auch gar nicht, und man kann ja ein Kissen mitnehmen, bevor man fällt.

Manchmal finde ich es schade, daß keiner honoriert, wie sehr ich immer noch eine gute Figur mache, während ich schon absacke. Nur mit dem Lesen ist es etwas schwierig, weil ich nicht mehr an den Stropp von der Lampe komme, wenn ich unten bin. Dabei sind Sofas zum Lesen wie geschaffen, hat mir neulich ein Bekannter erzählt, der immer wieder liest auf seinem Sofa, und liest und liest, und was soll man auf einem Sofa auch sonst machen, als sich immer weiter zu bilden, bis irgendwann mal auf natürliche Weise zappenduster ist.

Natürlich kann man jetzt eine Tischkultur herbeireden, eine richtig viereckige Kultur mit dunklem Abendbrot auf hölzernen Brettchen, wo Menschen ihrem Leben hochgradig gewachsen sind und sich nicht von Sofas schikanieren lassen. Sumpfsessel machen da keine Ausnahme, wer da grade meint, daß Sumpfsessel eine Ausnahme wären. Und den Grottenolm vergißt, der immer auftaucht, wenn man schon nicht mehr mit ihm rechnet. In Wirklichkeit muß man im Leben natürlich aufstehen, klar, aber dazu muß man sich vorher hinsetzen. Jetzt wieder: wohin? Jedenfalls nicht auf mein Sofa, wo schon zu Wilhelms Zeiten Besucher um Haltung gekämpft haben müssen. Ich kann mir allerdings nicht vorstellen, daß dabei irgend jemand gewonnen hat. Damals werden sie dann den Stuhl erfunden haben, den hab' ich auch, aber da steht man beim Sitzen doch zu sehr mit beiden Beinen im Leben und kommt leicht durcheinander. Dann lieber noch mein Sofa, wo jeder weiß, daß man nichts mehr machen kann. Wohin auch damit, wenn man sich irgend etwas fürs Sofa vorgenommen hat. Zuallerletzt Nadelarbeiten. Es soll Sofas geben, die ihre Besitzer eines Tages nicht mehr von unten rauf und damit hergegeben haben. Ein schöner Tod, wenn man einfach bleiben kann, wo man ist.