Zappeln vor dem Zappen

■ "Fit for ever" mit dem ZDF: Wer zweimal wöchentlich mitmacht, ist "mit 80 garantiert kein Pflegefall"

Früher steckte ein gesunder Geist in einem gesunden Körper. Doch die vier „F“ des deutschen Turnerbundes (frisch, fromm, fröhlich, frei) wurden bald abgelöst von drei neuen „F“: fressen, frönen, fernsehen. Dekadentes Deutschland, dumpfe dahin.

Als die Trimm-dich-Welle der Siebziger endlich ihren Weg von den Waldpfaden ins Fernsehen fand, war allerdings Schluß mit dem Abhängen vor der Glotze. Jane Fondas „Aerobic“-Bewegung kippte Hunderttausende aus ihren Fernsehsesseln. Simple Skigymnastik hieß fortan Tele-Gym, wer den Apparat einschaltete, war bald „Enorm in Form“. So der Name einer frühen Fitneß-Sendung, die einst der heutige ZDF- Sendeleiter Michael Sauer ersann. Bis zu 2,5 Millionen Zuschauer zappelten nun allmorgendlich, bevor sie zappten. „Und damit war die Serie das größte Breitensportereignis aller Zeiten“ (ZDF-Presse-Special). Voreilig schlossen die Verfechter der Theorie des Modell-Lernens aus diesem Erfolg, Zuschauer würden nicht nur die lustige Skigymnastik, sondern auch die schröcklichen TV-Schießereien nachahmen. Tele-Gym – die historische Wurzel der Mediengewalt-Debatte.

Allerdings haben Fitneß-Sendungen nur eine Halbwertszeit von etwa fünf Jahren. Dann, so Michael Sauer, ist nämlich die Sportbekleidung veraltet, und auch die Musik stimme nicht mehr. In der Folge erschlaffen die Ratings – und die Muskeln der Zuschauer.

Für einen neuen Aufguß der Fitneß-Sendungen gibt es beim ZDF aber weder eine eigene Redaktion noch das nötige Budget. So machte Michael Sauer aus der Not eine Tugend: Durch finanzielles Out-Sourcing – beim Privatfernsehen längst praktiziert – konnte die neue ZDF-Fitneß- Reihe „kostenneutral“ produziert werden. Gezahlt haben die Sponsoren.

Dafür muß man sich allerdings einen wohlklingenden Anglizismus für das Sendelogo suchen. Denn in unserer Muttersprache könne man zwar „wunderbar schöne philosophische Reflexionen anstellen“, aber mit germanistisch klingendem „Ausgleichssport“ lockt man heute (O Jane!) niemand mehr vor die Mattscheibe. Obwohl der Inhalt derselbe bleibt, stellt sich der Zuschauer bei einem britisch klingenden Versprechen eben tolle Dinge vor: „fit for ever“ wird der Zuschauer halt nur auf englisch.

Weil das auch die Sponsoren so sehen, hat Sauer als Ziel der telegenen Rumpfbeugen, die ab 21. Februar täglich um 9.45 Uhr zu sehen sind, vor allem die Einführung eines zugkräftigen Markennamens im Sinn: „Wir wünschen unseren Kooperationspartnern gute Umsätze.“ Zum Beispiel dem Falken- Verlag, der uns im ZDF-Windschatten irgendwelche Bücher und Videos andrehen will, oder das Sportgeschäft Fischer, das die hübschen „Fit for ever“-Klamotten verkauft. Während der Pressevorführung, bei der die Journalisten im Gruppenzwang zum Mitmachen verführt wurden, saßen noch zwei Typen mit schmierigen Dreitagebärten und wichtigem Handy in der Ecke: Sie vermarkten die T- Shirts. Die sparwilligen Krankenkassen werden erst in der nächsten Staffel einsteigen, aber der Club Med stellte schon jetzt seine gleichnamige Luxusyacht zu Verfügung. Die hat einen geringen Tiefgang und kann daher dicht an die Mittelmeerküste heransegeln. Eine attraktive Kulisse für die Frühgymnastik: „Zu meinem Kummer“, so Sauer bedauernd, „ist der optisch wirksame Ausbruch des Stromboli erst zwei Minuten nach Drehschluß erfolgt.“

Der heute 53jährige, der 1983 die ersten Aerobic-Sendungen des deutschen Fernsehens überhaupt produzierte, ist übrigens selbt fit wie ein Turnschuh. Um an zwanzig Deutschen Meisterschaften im Dreisprung teilzunehmen, trainierte er so hart, daß er 100 Meter in 14 Sekunden ersprintete – auf einem Bein. Die dadurch eingetretenen Knieschäden habe er sich samstags „ambulant“ wegoperieren lassen und sei montags wieder zur Arbeit gegangen. In zwanzig Jahren war er nur zwei Tage krank. Fit for ever mit dem ZDF: Wer zweimal wöchentlich mitmacht, weiß Sauer, „ist mit 80 garantiert kein Pflegefall“. Edgar Schmitt