Debatte
: Utopie ohne Parteien

■ Antwort auf eine Polemik von L. Probst zum „Bürgerforum“ ohne Hucky Heck

Hochweiser Lothar Probst, du sprichtst von der Höhe deiner Einsicht herab von „Populismus“ (taz vom 12.1.), während ich, der ich das parteiferne Leben außerhalb des Elfenbeinturms mehr liebe, ein schlichteres und verständlicheres Wort wie „Bürgernähe“ wähle.

Natürlich ist das Bremer Bürgerforum durch und durch eine Gurkentruppe. Es gibt keine politischen Größen, uns fehlen die Flexibilität eines Arendt Hendriksen, die senatorische Grandezza des Jäger 90, uns begleiten keine intellektuellen Schwergewichte wie Sabine Uhl oder Ralf Bortscheller, wir haben keinen lieben Detlef, keine Elisabeth Motschmann und keinen Lothar Probst. Dafür einen Gastwirt, Leute aus der Werbung, Lehrerlnnen, JournalistInnen und andere Leute, die nur einen Beruf haben und kein Mandat. Stell dir das mal vor: No-Name-Gurken reden ohne Anleitung miteinander, statt auf die wirklich bedeutenden Leute unter der Prominentensonne zu hören, zu denen du dich als Kleindarsteller ja auch gern zählst. Weshalb bringt dich das zum Keifen? Noch ist gar nichts passiert.

Der Sachstand: Es wird vielleicht eine offene Bürgerforums-Liste zur nächsten Wahl geben. Darüber entscheidet aber nicht der bisherige Gesprächskreis, sondern ein Ratschlag in der Stadt – Ort und Termin werden öffentlich bekannt gemacht. Der Sinn davon: Diejenigen, die von Parteien keinen Fortschritt mehr erwarten, sollen sich „oben“ artikulieren können. Und den Parteien, die als einzige keinen kommunalen Sparbeschlüssen unterliegen, soll ein Teil ihrer Finanzbasis entzogen werden. Nichtwähler; Erstwähler, Links-Rechts-lnkompatible, Kreative und Parteiverdrossene erhalten das politische Gewicht, das ihnen zukommt.

Gewinn für die Stadt: Steuergelder werden vom Bürgerforum in Form von Mandaten, Fraktionszuschüssen, Diäten, Wahlkampfkostenerstattungen etc. zurückerobert, um vollständig an soziale Einrichtungen, an kulturelle Veranstaltungen, an Bildungseinrichtungen etc. durchgereicht zu werden – an alle Institutionen, die mit dem Argument des Sparzwangs von den Parteipolitikern zur Zeit eingeseift und über den Löffel barbiert werden. Bedenkt man die Gesamtkosten eines Abgeordneten, kommt da eine recht nette Summe zusammen. Und das Bürgerforum selbst kann mangels Mitteln keinen Apparat aufbauen. Es hat auch kein Programm. That's all, Lothar: die Ausschaltung des Parteiprinzips auf möglichst vielen Ebenen, aber wählbar!

Es geht im Grunde um eine radikaldemokratische Honoratiorenliste in Bremen. Was soll daran rechts sein? Oder schlimm? Allerdings: Wer auf einer solchen Liste kandidiert, ist schön blöd, denn er ist bloß ehrenamtlicher Dienstleister. Da gibt's viel Arbeit und kein Geld. Gell, Hucky? Weitere blöde Hunde und Hornochsen sind da stets willkommen.

In dieser Idee, hochweiser Lothar, steckt mehr an Utopie als sämtliche Parteien in der vergangenen Legislaturperiode zu Tage schürften. Der Fehler der Parteien besteht darin, daß sie bei ihrer Suche nach einer tragfähigen Vision für das Gemeinwesen sich nur Möglichkeiten vorstellen können, in denen sie selbst an führender Stelle und gestärkt wieder auftauchen. Das muß auf Dauer einfach schiefgehen, denn nach der führenden Rolle der Partei sind nun die Führungsrollen der Parteien dran. Klaus Jarchow

Der Autor gehört zum „Bürgerforum“ und war Mitte der 80er Jahren Pressesprecher der Bremer Grünen.