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Na denn man Prost, Frau!

Der Prenzlauer Berg hat eine Frauenkneipe: das „Whistle stop“ / Männer dürfen nicht rein, aber rausgeschmissen werden sie auch nicht  ■ Von Kathi Seefeld

Der Gang zum Klo bringt die Gewißheit. „Whistle stop“ (Kein Zugang für Pfeifen? „Pfeifenträger“ wohl genauer gesagt) ist eine Frauenkneipe. Aus gewissen Pinkelbecken des WCs wachsen Grünpflanzen. Statt Klosprüchen hängen hier Zettel, auf denen Frauen Anschluß an WGs oder eine Wohnung suchen. Tanzveranstaltungen für jene über 40 werden angekündigt, und ein Mädchenkabarett gab sich die Ehre. „Whistle stop“ in der Knaackstraße 94 im Prenzlauer Berg ist schräg gegenüber der Kulturbrauerei ein Neuzugang im Kiez.

„Zutritt nur für Frauen“ steht an der Eingangstür geschrieben. „Wenn sich allerdings doch mal ein Mann hierherverirrt, wird er natürlich nicht zerfleischt. Daran liegt mir überhaupt nicht, ich werde ihn nicht katzenfreundlich, aber doch bitten, die Kneipe zu verlassen“, so Inhaberin Sabine Gericke. Sie hat sich einen Traum wahr gemacht. Gehegt, seit sie vor der Wende nach West-Berlin reisen konnte, dort erlebte, welche Freiräume sich Frauen geschaffen hatten.

Als ein Frauenkulturverein seine Galerie in der Knaackstraße 1994 aufgeben mußte, griff sie zu. Sie mietete kurzerhand die Räume bei der Wohnungsbaugesellschaft Prenzlauer Berg. In mühevoller Kleinarbeit, gemeinsam mit Freundinnen, wurde die Kneipe ausgebaut. „Nächtelang wurde gemalert, wir haben selber Fliesen geklebt.“ Selbst die Naturholztische in den verschiedensten Größen sind weibliche Handarbeit. „Eine, die sich handwerklich völlig unbegabt fühlte, bot sich an zu kochen.“ Ein derartiges Gefühl von Solidarität unter Frauen hatte die Kneipeninhaberin bislang noch nicht erlebt. Zum Schluß kam das Schild über die Tür: „Frauenkneipe“. „Ich wollte immer eine Kneipe, nie ein Café, das war mir zu brav.“

Im Herbst vorigen Jahres hat sie mit einer Art Probebetrieb angefangen, und die Frauen kamen. Jetzt ist außer montags täglich von 18 bis 2 Uhr morgens geöffnet. Ansonsten können Workshops angemeldet werden (4427847). Sabine Gericke ist über jeden Andrang froh. Denn wenn hier auch zünftig Biere gestemmt werden oder frau ihren Chablis schlürft – „die Trinkgewohnheiten von Frauen sind einfach anders“. Nicht umsonst, so die Kneipeninhaberin, seien Einrichtungen wie das „Golden Girls“ im Westteil der Stadt inzwischen auch für Männer geöffnet worden. Auch sie habe keinen Bankkredit bekommen können. So etwas habe doch keine Chance, habe die Angestellte gemeint. „Na ja, im Prinzip hatten wir in den letzten zwei Monaten keinen freien Tag, haben kalte Platten angefertigt, um uns über Wasser zu halten.“ Doch noch können ausschließlich Frauen im „Whistle stop“ genießen, daß es weniger laut zugeht als anderswo.

Nadine und Tracy, Studentinnen an der Humboldt-Uni, sind nach ihrem ersten Ausflug in der Kneipe begeistert. „Hier ist niemand, der dich blöde anmacht. Man kann in Ruhe reden oder ein Spiel spielen.“ Nur zum Schmusen sei es etwas ungemütlich. Doch das „Whistle stop“ ist keine Lesbenkneipe, bietet diesen Frauen aber Raum. Genausogut können sich hier Nachbarinnen mal so richtig über die werten (Ehe)Männer auslassen. Es nerven keine Rosenkavaliere, nur ein Afrikaner verirrte sich unlängst beim Versuch, handgestrickte Pullover zuveräußern. Ignoriert von den Kneipengästen, verließ er nach wenigen Sekunden irritiert wieder das Lokal.

„Wichtig ist, daß jede Frau, die herkommt, sich wohl fühlt. Frauen mit Kindern sind gerne gesehen, können zum Abendessen vorbeischauen.“ Auch mit einigen Veranstaltungen will Sabine Gericke locken. „Russische Zigeunerlieder hatten wir schon hier, Lesungen interessieren mich auch sehr, doch das möchte ich lieber den typischen Frauenzentren überlassen.“ Der Name der Kneipe, so die Frau lachend, habe allerdings nichts mit gewissen Pfeifen, sondern mit dem Film „Grüne Tomaten“ zu tun.

Wer wissen will, was, könne im Februar vorbeischauen, wenn das Video in der Knaackstraße 94 läuft.

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