■ Bonn apart
: Mein Minister und ich

„Hast du diese Enthüllung gelesen?“ fragte mich gestern der Minister, der in der Villa gegenüber wohnt. Ja, ich hatte ihn natürlich gelesen, den Beitrag über Bonner Journalismus im neuen Spiegel-Special. Er gefällt dem Minister nicht. Genausowenig wie den beiden Staatssekretären, die ich abends in seiner Privatsauna traf. „Zu große Nähe von Politik und Journalismus?“ fragte mich der eine und rückte gleich ein paar Zentimeter ab. Die sensible Ministergattin war auch ganz betroffen. „Du, wir handeln unethisch“, sagte sie nachmittags zu meiner Freundin, als die beiden bei einem Gläschen Champagner unseren gemeinsamen Jahresurlaub besprachen.

Entlarven ist gut, seinesgleichen entlarven noch besser. So dachte sich der verehrte Kollege Jürgen Leinemann und bemüht sich im Spiegel-Special mit selbstkritischem Gestus, den Deckmantel des Journalismus von der herrschenden Bonner Kumpanei zwischen Macht und Medien zu reißen. Für ihn ist alles ganz einfach: Arschkriecher, Speichellecker und junge Unbedarfte plappern tagein, tagaus nach, was die Mächtigen so von sich geben. Zu erkennen sind die Würdelosen an ihren Journalistenausweisen.

Gut, daß es noch einige wenige Aufrechte gibt! Die können sich dann wie Leinemann darüber aufregen, daß „die Wirklichkeit“ in Bonn systematisch ausgeblendet wird. Wenn sich mal Claus Peymann oder linksliberale Meinungsmacher vergangener Zeiten ins Regierungsviertel wagen, um die Bonner über „die Wirklichkeit“ aufzuklären, dann wollen die Bornierten dort das gar nicht hören. Anders als wir anderen Journalisten hat Leinemann eine eigene Meinung. Und die sagt er auch noch. Mutig! Vielleicht stehen so viele Kollegen deshalb ständig zusammen und hauen jahraus, jahrein in die ewiggleichen Kerben der Kritik, weil es gar so schwer ist, eine eigene Meinung zu haben.

So wie Leinemanns Magazin und Helmut Kohl. Der versteht nun so wenig von der deutschen „Wirklichkeit“, daß er seit mehr als zwölf Jahren Kanzler ist. Das verwirrt den Spiegel wiederum so sehr, daß er Kohl entweder lächerlich macht oder dämonisiert („die Machtmaschine“). Am meisten aber ärgert den Spiegel, daß Kohl ihn ignoriert. Denn während die Nähe zur Macht nur korrumpiert, macht der Verlust der Definitionsmacht sauer. Sagt wenigstens der Minister, der im Bungalow gegenüber wohnt. Und was ein Minister sagt, das ist für uns Bonner Journalisten selbst dann oberstes Gebot, wenn er eigens für diese Kolumne erfunden werden mußte. Hans Monath