Scalfaro setzt auf eine neue Lusche

■ Schatzminister Dini soll Italiens Kabinett führen / Er gilt als Marionette Berlusconis

Rom (taz) – Drei Wochen Brüten, dazwischen eine handfeste Grippe, garniert mit Putschgerüchten und bösartigsten Angriffen der gestürzten Rechtsregierung Silvio Berlusconis gegen den Koalitionsaussteiger Umberto Bossi und seine „Liga Nord“ liegen hinter ihm: Nun hofft Italiens Staatspräsident Oscar Luigi Scalfaro, alles wieder ins Gleis zu bringen. Gestern nachmittag hat er den bisherigen Schatzminister Lamberto Dini, einen parteilosen Technokraten mit langjähriger Erfahrung in der Notenbank, zu sich gerufen. Scalfaro hofft, daß dieser eine neue Regierung zusammenbekommt.

Dini, 62, Florentiner mit dem Gesicht eines gealterten Meßdieners, soll dem Land nicht nur wieder eine funktionierende Administration verschaffen, sondern auch das schwer angeschlagene Image Italiens aufpolieren. Der Senkrechtabsturz der Lira und die erneut anziehende Inflation soll er stoppen, die sich rasant verstärkende Arbeitslosigkeit bremsen.

Bis zuletzt waren auch die Präsidenten von Senat und Abgeordnetenhaus, Carlo Scognamiglio und Irene Pivetti, mitfavorisiert gewesen. Daß mit Dini ein Mitglied der bisherigen Regierung den Vorzug bekommen soll, liegt nicht nur daran, daß Präsident Scalfaro einen Wirtschaftsfachmann, und zwar möglichst einen parteiungebundenen, gesucht hat – ein Grund für seine Ernennung ist auch, daß es der Opposition nicht gelungen war, Mehrheiten für eine personelle und programmatische Alternative zu mobilisieren. Wirre Zahlenspiele und deren anschließende Korrekturen hatten die letzten Tage zum Alptraum für alle Beteiligten gemacht. Für eine breite Mehrheit im Parlament mußte Scalfaro daher einen Mann nehmen, der auch das Plazet Berlusconis hat. Kritiker halten Dini gar für eine Marionette des Mailänder Medienzaren.

Handfeste Probleme lassen sich daher auch für Dini unschwer prophezeien, gleichgültig ob er seinen Auftrag nur als kurzfristige Sanierungsaufgabe mit baldigen Neuwahlen sieht oder an längerfristige Projekte herangehen will. Zu sehr hat er sich in den sieben Monaten seiner Amtszeit bereits blamiert. Der im Dezember verabschiedete Staatshaushalt weist bereits heute wieder Löcher von umgerechnet 40 Milliarden Mark aus; die von ihm seinerzeit ausgearbeitete Rentenreform hat mehr als 15 Millionen Menschen zum Generalstreik getrieben und mußte fallengelassen werden. Dazu kommt eine persönliche Fehde mit dem Präsidenten der italienischen Notenbank, Fazio. Dini wollte voriges Jahr selbst Chef der Banca d'Italia werden. Er fiel durch und rieb sich dann als Schatzminister unentwegt an seinem Konkurrenten, was den Lira-Verfall weiter angeheizt hat. Problematisch für die Konsenssuche ist weiterhin, daß Dini den Großteil seiner Karriere in den USA verbracht hat und mitunter gar in den Verdacht geraten ist, die Speerspitze eher undurchsichtiger Kreise aus Übersee zu sein. Werner Raith