: Bremer Abgeordneter wohnt außerhalb
■ DVU-Abtrünniger Nennstiel hat in Bremen Schreibklo mit Kochnische / Staatsanwalt ermittelt
Neuigkeiten in der Abzockeraffäre un die rechten Gruppierungen in der Bremischen Bürgerschaft: Nachdem in der vergangenen Woche der Vorstand der Bürgerschaft sämtliche Zuschüsse an die DVU und die DVU-Absplitterung „National-Konservative Gruppe“ (NK) dauerhaft gesperrt hat, hat nun zumindest die NK auch noch den Staatsanwalt auf dem Hals. Der ermittelt gegen die NK wegen Veruntreuung von Parlamentsmitteln. Alle drei NK-Abgeordneten sollen sich an den Bürgerschaftszuschüssen bereichert haben. Das hatte Anfang des Jahres der Landesrechnungshof festgestellt. Aber schon bald kann es sein, daß sich die Ermittlungsbehörden nur noch mit zwei der drei NK-Abgeordneten auseinandersetzen müssen.
Das Mandat von Peter Nennstiel nämlich wackelt, und das nicht etwa wegen der massiven Vorwürfe des Landesrechnungshofes speziell gegen seine Person. In der Bürgerschaft gilt als offenes Geheimnis, daß Nennstiel schon längst nicht mehr in Bremen wohnt, sondern in einem Wochenendhaus im Teufelsmoor. Seine Stadtwohnung – ein Ein-Zimmer-Appartement – halte er sich nur noch pro forma. Viele Indizien stützen diesen Verdacht, Nennstiel selbst weist ihn allerdings weit von sich. Sollte sich der Verdacht allerdings bestätigen, dann wäre Schluß mit dem Abgeordneten Nennstiel, denn: Abgeordnete der Bremischen Bürgerschaft müssen auch in Bremen wohnen. Das schreibt die Landesverfassung vor.
Nennstiel sitzt in der Klemme. Einerseits unterhält er eine Stadtwohnung in der Bismarckstraße, um den Erfordernissen des Abgeordnetenstatus Folge zu leisten, andererseits hat er ein Drittel eben dieser Stadtwohnung als Abgeordnetenbüro deklariert. Daran wäre nichts weiter auszusetzen, wenn nicht besagte Wohnung lediglich ein Ein-Zimmer-Appartement von 45 Quadratmetern wäre, das sich schwerlich für beide Zwecke eignet: Hauptwohnung eines Ehepaares und Abgeordnetenbüro. Nach Nennstiels eigenen Angaben wäre dann die Nennstiel-Wohnung eher eine Schreibklo mit Kochnische. Der Augenschein sprich sogar gegen beide Versionen.
Als Hauptwohnung ist das Appartement zu klein, und politische Weggefährten Nennstiels sagen aus, daß der längst mit dem größeren Teil seines Hausstandes in sein Fereinhaus nach Vollersrode, einem kleinen Örtchen im Teufelsmoor, gezogen sei. Dafür spricht auch die Liste der Quittungen, die Nennstiel dem Rechnungshof vorgelegt hat, um zu belegen, wofür er die Zuschüsse der Bürgerschaft verwendet habe. Mit dabei: Eine Waschmaschine (angegeben als Aktenvernichter), Estrich, Zaunpfähle, Gartenmöbel. Reichlich Hausrat – alles für Vollersrode.
Die Büroversion ist auch nicht viel glaubwürdiger. Daß er die Stadtwohnung schon immer zu einem Drittel als Büro genutzt habe und auch weiter nutzen werde, auch das hat Nennstiel dem Rechnungshof angegeben. Schließlich habe er als Abgeordneter darauf einen Anspruch. Nur: Von einem Büro in der Bismarckstraße kann kaum die Rede sein. In dem Appartement gibt es nicht ein Eckchen, das nach Abgeordnetentätigkeit aussieht. Die Möblierung: Ein kleiner Eßtisch, eine Couchgarnitur, eine Schrankwand. Büromöbel? Fehlanzeige. Ein Faxgerät (selbstverständlich aus Bürgerschaftszuschüssen finanziert) stand auf einem Couchtischchen, das war alles. War, denn das war der Stand Anfang 1994. Mittlerweile scheint Nennstiel jegliche Abgeordnetentätigkeit von Bremen aus eingestellt zu haben. Der Fax-Anschluß ist laut Telekom-Auskunft genauso abgemeldet wie das Telefon: „Kein Anschluß unter dieser Nummer.“
„Klar wohne ich in der Stadt.“ Peter Nennstiel selbst weist alle Fragwürdigkeiten weit von sich. Es sei schon ein wenig eng, aber das sei kein Problem. Ohnehin käme ein Wechsel des ersten Wohnsitzes nicht in Frage: „Das Haus in Vollersrode steht in einem Feriengebiet. Da kann man sich gar nicht mit erstem Wohnsitz anmelden.“ Und eine Büroecke habe er auch in der Bismarckstraße. Das abgemeldete Telefon habe nichts zu sagen. Er sei als Abgeordneter immer erreichbar: „Ich habe jetzt ein Handy.“
Jochen Grabler
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen