Sanssouci
: Vorschlag

■ Zwei Seelen in Nichols' Brust: Fellow Travellers im Huxley's Jr.

Das mit dem Folk, der die Popmusik retten sollte, nachdem Punkrock weggebrochen war, ist zwar auf halber Strecke steckengeblieben, aber nun, da die historischen Aufgaben und das Scheitern daran vergeben und vergessen sind, widmet sich wieder jede und jeder den ganz persönlichen Plaisierchen. So tut es auch Jeb Nichols, jener nuschelnd singende Mensch, der einst als Mitglied der Pogues half, den Soundtrack zur Suffseligkeit abzuliefern. Danach verlor er scheinbar eine Wette und mußte nun Folk und Reggae fusionieren. Eine so gewaltige Aufgabe, daß sie bis dahin noch niemand versuchen wollte. Nichols und seine Fellow Travellers aber wagten es nicht nur und scheiterten nicht, sie machten sogar die wundervollste Musik des Jahres 1992.

Damals schon spielten die Fellow Travellers nicht nur ihre schmeichelnden Songs, die Gedanken an milde, viel zu freundliche, kein Wässerchen trübende Sommer weckten, die es so nur in der Erinnerung gibt, sondern hängten auf Platte gerne auch noch eine Dub-Version des Stückes an. Auf „A Few Good Dubs“ nun werden alte Songs und einige wenige neue ausschließlich instrumental verdubbt. Da entgeht uns zwar Nichols' grandios lakonisches Organ, aber dafür kann nun jeder das Vorher-nachher- Spiel spielen und erraten, welche Version denn nun zu welchem Original gehört. Dieses Kreisen um den Off-Beat verstärkt noch die Qualitäten der Fellow Travellers, die ihre immer schon vorhandenen personellen Beziehungen zu Adrian Sherwood und seiner „On-U“-Organisation aus Label, Soundsystem und Philosophie voll ausnutzten und reichlich Musikanten aus diesem Umfeld für die Aufnahmen rekrutierten. So schlürft der Rhythmus nun wieder so bedächtig wie jener Ex-Hauswart, der sich gerade vor dir an der Kasse im Supermarkt seinen Sechserpack, seinen halben Liter Korn und zwei „Lila Pause“ geholt hat und nun auf dem Weg nach Hause ist, sein Tagwerk zu vollbringen. Er ist nicht allzu schnell, aber er schaut sich auch nicht um, es gibt nichts, was ihn überholen könnte, er weiß, daß er dort anlangt, wo er hin muß, um seine Schätze ihrer Bestimmung zuzuführen.

Für diese Tour jedoch wollen sich die Fellow Travellers ganz säuberlich in die zwei Seelen aufteilen, die in Nichols' Brust wohnen. Zuerst ein relativ kurzer Teil mit „reduzierten, puren Versionen früher Songs“ und dann in Teil zwei die Dub-Versionen. Und so werden wir wohl wieder Nichols jene unvergessenen Zeilen singen hören, dieses „I would not mind a few good times in my life“, das auf ewig die bescheidenste und damit überzeugendste Forderung nach Glück im Leben bleiben wird. Thomas Winkler

Heute, 21 Uhr, Huxley's Junior, Hasenheide 108–114, Neukölln