Der Genschwindel Von Mathias Bröckers

Die Baumwollsamen, die von der „Stoneville Pedigree Seed Company“ in diesem Frühjahr auf den Markt gebracht werden, sind brandneu: es sind die ersten einer gentechnisch veränderten Baumwollart, die widerstandsfähig gegen das Pflanzenschutzmittel Bromoxynil ist. Dieser Unkrautkiller beseitigt auf dem Acker alles, was kreucht und fleucht – einschließlich der Baumwollernte selber. Es sei denn, der Farmer benutzt die neue „BXN Cotton“-Samen, denen ein Gen eingebaut ist, das Bromoxynil mittels eines Enzyms entgiftet. Entwickelt wurde die giftresistente Baumwollart von der kalifornischen Biotech-Firma „Calgene“, die wiederum mit der Firma Rhône-Poulenc verbunden ist, einem der weltgrößten Hersteller von Pestiziden, insbesondere von Bromoxynil.

Als Anfang der 80er die Gentechnologie propagiert wurde, klang das noch anders: Pestizide und Herbizide sollten obsolet werden und die Probleme des Welthungers endlich gelöst. Faktum Mitte der 90er ist: gehungert wird wie eh und je, und der Einsatz von Pestiziden wird dank resistenter Samen weiter klettern. Die Konkurrenz von Rhône-Poulenc, der Chemie-Multi Monsanto ebenso wie die deutsche Hoechst AG, haben ebenfalls verschiedene Pflanzensorten entwickelt, die gegen Pestizide resistent sind – natürlich nur gegen die aus der eigenen Produktion. Wem diese genetisch veränderten Superpflanzen in erster Linie nützen, ist klar: der Pflanzenschutzmittelindustrie. Der größte Anteil aller 1994 mit genveränderten Pflanzen durchgeführten Feldversuche (36 Prozent) entfiel auf Resistenz gegen Pflanzenschutzmittel. Daß die agrochemische Industrie gleichzeitig der größte Förderer dieser Biotechnologie-Forschung ist, hat das Wissenschaftsmagazin New Scientist letzte Woche zu einer resignativen Titelgeschichte gebracht: „Was ist nur mit der Gen-Revolution passiert?“

Es ist genau das passiert, was noch jeder neuen Technologie geblüht hat – daß sie nicht zum Schönen und Wahren genutzt wird, sondern zuförderst für das Schnöde und Bare. 50 Prozent aller Pestizide in den USA werden allein im Baumwollanbau eingesetzt – jede gegen Unkraut und Insekten resistente Pflanzenart würde alle Pestizid-Hersteller ins Mark treffen, und deshalb haben sie in die neuen wunderbaren Sorten investiert. Den Bauern versprechen sie reichere Ernten, die freilich mit teureren Samen erkauft werden müssen – und der Ungewißheit, welche neuen Krankheiten und Schädlinge der großflächige Anbau der giftresistenten Sorten heraufbeschwört. Für die Landwirtschaft in der Dritten Welt sind sie völlig unbrauchbar: dort ist teurer Pestizideinsatz unerschwinglich.

Übertragen wir das schnöde Beispiel aus dem Reich der genmanipulierten Pflanzen in das der Humangenetik, dann braucht es für die Vorhersage der Zukunft keinen Kaffeesatz: statt üble Erbkrankheiten und chronische Leiden zu beseitigen, wird die Gen- Industrie zuförderst daran arbeiten, den menschlichen Körper resistent gegen die Keulen der Pharmaindustrie zu machen. Ein chronisch Kranker, der sich dank des Dauereinsatzes von Pharmaka prächtigster Gesundheit erfreut – die ersten Spezies solcher verkrüppelter High-Tech-Lebewesen wachsen diesen Sommer auf amerikanischen cottonfields heran.