piwik no script img

■ Der holländische Fiskus will die Prostituierten abschöpfenMehrwertsteuer in der Horizontalen

Amsterdam (taz) – Wenn es nach Finanzminister Zalm geht, dann sollen die Huren in Holland Mehr- und Einkommensteuer abführen.

Angela (25) sitzt seit ein paar Jahren hinter den Fensterscheiben im Red Light District, reich geworden ist sie nicht. Die Preise liegen für die gängigsten Dienstleistungen bei 50 Gulden – trotz Inflation seit Jahren. Und da sollen jetzt noch Steuern drauf? Angela: „Das geht nicht, die meisten Mädchen tun das ja aus materieller Not.“ Aber wenn schon, „kann ich dann den BH absetzen“? Ihre Rechnung: „Egal ob morgens, nachmittags, nachts – für jede Schicht sind 150 Gulden Zimmermiete zu bezahlen. Der Babysitter kostet pro Schicht 50 Gulden, eine Packung Kondome 16,95 Gulden, 50 Gulden für Essen und Trinken.“ Wenn sie sechs Männer bedient, dann bleiben 100 Gulden Überschuß. „Soll ich das mit dem Fiskus teilen?“

Finanzminister Zalm, (übersetzt „Lachs“) will die Prostituierten unbedingt fiskalisch abschöpfen. Schon seit 1990 sollen sie Mehrwertsteuer zahlen, tun es aber nicht. In Arnheim könnten bald Prostituierte fragen: „Ich zahle Steuern, willste nicht was drauflegen?“ Steuerinspekteur Theo van de Woerdt will von den Damen aus dem Spijkerkwartier, Arnheims Hurenviertel, eine freiwillige „Abkaufsumme“, nachprüfen werde man nicht.

Die Folge: höhere Preise, ausbleibende Kunden. Angela: „Wenn ich denen einen Bon über die Mehrwertsteuer aushändige, dann bleiben die weg.“ Bei der Stiftung „Mann & Prostitution“ will man keine höheren Preise. Niel ten Cate, Chef der „Freier- Gewerkschaft“ und pensionierter Sozialpsychologe, meint, daß auch „legale“ Prostituierte wenig Solidarität erwarten können. Mariska Majoor, die im Red Light District das „Prostitutie Informatie Centrum“ (PIC) betreibt, befürchtet ein „Katz-und-Maus-Spiel mit der Polizei“. Schon heute werden in manchen Distrikten die Huren „wie Wild von der Sittenpolizei gejagt“, erzählt Mariska, einst selbst Prostituierte. „Unter dem Deckmantel von Sicherheit und Ordnung werden Fotos gemacht, Namen notiert. Angeblich im Kampf gegen den Frauenhandel.“ Die Steuerfahndung dürfe zwar die Polizeifotos nicht sehen, aber wer garantiere das?

Margo Alvarez, Sprecherin der Huren-Gewerkschaft „De Rode Draad“: „Wenn wir Steuern zahlen, dann wollen wir auch Sozialleistungen, Invaliden-Versicherung und Pension.“ Außerdem müsse das Bordellverbot von 1911 weg. „Voll legalisiert muß man keine Angst mehr haben, aus dem Verkehr gezogen zu werden.“

Die „kleinen Jungs“, Zuhälter mit ein oder zwei Mädchen, wollen nichts mit dem Fiskus zu tun haben. In Utrechts Hurenviertel Zandpad provozierte „De Rode Draad“ zuletzt die Zimmervermieter mit Plakaten. „Wer Pflichten hat, der hat auch Rechte“, hieß es. Können die Prostituierten die Miete von der Steuer absetzen, dann brauchen sie eine ausgestellte Rechnung. Allerdings haben die Vermieter der Fenster-Bordelle dazu keine Lust, verlangen sie doch in Utrecht für ein Fenster wöchentlich neben offiziell 460 Gulden (ca. 414 DM) noch 460 Gulden „schwarz“.

Eine Reporterin der Zeitschrift Panorama versuchte, als angebliche Hure auf dem Finanzamt vorzusprechen. Nach langem Hin und Her gestand der männliche Beamte (extra assistiert von einer Kollegin) zu, daß sie „Zimmermiete, Kondome, Unterwäsche, Make-up“ absetzen könne, eventuell sogar ihren Hund. „Aber nicht, wenn es ein kleiner Kläffer ist, es muß schon ein echter Wachhund sein.“ Falk Madeja

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen