Knapp am Krieg vorbeiverhandelt

■ Nach dem Truppenaufmarsch an der Grenze zwischen Saudi-Arabien und Jemen sucht die arabische Diplomatie nach einem Ausweg / Politiker beider Seiten leugnen die Brisanz der Auseinandersetzung

Kairo (taz) – Das Gröbste ist verhindert worden. Nachdem am Wochenende arabische Diplomaten in der jemenitischen Hauptstadt Sanaa von einem massiven saudischen Truppenaufmarsch im Grenzgebiet zum Jemen berichteten, schlug gestern die Stunde der arabischen Diplomatie. Es gelang vorläufig, zumindest einen Krieg beider Länder zu verhindern.

Die Alarmlichter begannen in den arabischen Hauptstädten zu leuchten, als Saudi-Arabien in den vergangenen Tagen Kampfflieger und Raketenabschußrampen im Süden Saudi-Arabiens stationierte und die jemenitische Armee mit einer Mobilisierung der Truppen an der Grenze antwortete. Beide Seiten machten keine genaue Angaben über die Truppenbewegung.

Inzwischen können die eilends herbeigerufenen arabischen Vermittlungsversuche einen ersten Erfolg verbuchen. In einer gemeinsamen Erklärung, die gleichzeitig in der saudischen und jemenitischen Hauptstadt verlesen wurde, versprechen beide Seiten, den Status quo zunächst nicht zu verändern und keine Gewalt zur Lösung des Grenzkonfliktes anzuwenden. Zudem sollen bilaterale Gespräche zur einer friedlichen Lösung des Konflikts aufgenommen werden.

Vorausgegangen war eine intensive arabische Reisediplomatie. Eine syrische Delegation unter Vorsitz des syrischen Vizepräsidenten Abdel Halim Khadam befand sich schon vor der Krise in Riad und verlängerte ihren Aufenthalt in der saudischen Hauptstadt. Jemens Präsident Ali Saleh fuhr am Sonntag nach Kairo zu Gesprächen mit dem ägyptischen Präsidenten Husni Mubarak. „Alle sind darauf bedacht, zu einer Lösung des Konflikts zu kommen, durch die sich die Situation nicht weiter verschärft und durch die Zusammenstöße zwischen den beiden Bruderstaaten verhindert werden kann“, ließ der ägyptische Informationsminister nach dem Treffen verlauten.

Die Beziehungen zwischen Sanaa und Riad sind seit dem Golfkrieg frostig. Damals stellte sich Sanaa auf die Seite Saddam Husseins. Eine Parteinahme, die die Saudis ihren südlichen Nachbarn bis heute nicht verziehen haben. Im jemenitischen Bürgerkrieg vor sechs Monaten unterstützte Riad dann auch offen die Kontrahenten Sanaas im südjemenitischen Aden. Den Saudis ist ein starker Jemen als Konkurrent auf der Halbinsel ein Dorn im Auge. So warten die nun seit Jahrzehnten andauernden Grenzstreitigkeiten schon seit Jahren auf eine Lösung. Eine nach dem Golfkrieg geschaffene gemeinsame Grenzkommission kam bisher zu keinerlei Ergebnissen.

Trotz der Spannungen versuchten beide Seiten, den Konflikt bisher nur auf kleiner Flamme zu kochen. Der saudische Innenminister Na'if Bin Abdel Aziz leugnete noch vor wenigen Tagen jegliche Probleme. Das Königreich habe alle Probleme mit seinen acht Nachbarn gelöst, ließ er am Rand einer arabischen Innenministerkonferenz in Tunis verlauten.

Der Sprecher des jemenitischen Parlaments und Vorsitzende der jemenitischen Islamisten, Scheich Abdallah al-Ahmar, drückte erst letzte Woche seine Zuversicht aus, daß die Probleme zwischen beiden Ländern unmittelbar vor einer Lösung stehen. „Diejenigen, die von einer Truppenmassierung an der Grenze sprechen, beabsichtigen nur, die Annäherung zwischen beiden Ländern zu untergraben“, erklärte er gegenüber der saudisch finanzierten Tageszeitung al-Hayat. Daß beide Seiten den Truppenaufmarsch zunächst verschwiegen, war auch ein Zeichen dafür, daß am Ende doch die Diplomaten die Zügel wieder in die Hand nehmen würden. Karim El-Gawhary

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