Schumann auf Spanisch

■ 6. Philharmonisches Konzert in der Glocke unter Miguel Gómez Martinez

Ein Sinfonie-Konzert jagt das andere: nachdem die Kammerphilharmonie nach einem fabelhaften ersten Abonnementskonzert gezeigt hat, daß sie auch zu Mucken fähig ist – anders kann man das schlappe Festkonzert zum Geburtstag von Jacob–s Suchard kaum bezeichnen –, waren nun wieder die guten alten Philharmoniker mit ihrem sechsten Orchesterkonzert dran.

Nun dauert–s wirklich nicht mehr lang mit dem neuen Generalmusikdirektor, heißt es geheimnisvoll, aber noch immer werden keine Namen genannt. Also warten und Gastdirigenten begucken: die Zusammenstellung spanischer und deutscher Sinfonik sieht der spanische Dirigent Miguel Gómez Martinez als seine kulturelle Aufgabe an. Auch sein drittes Programm mit dem Philharmonischen Staatsorchester zeigte diesen Kontext, obschon die Ansammlung von „Hits“ einen nicht so guten Nachgeschmack hinterläßt.

Sei–s drum, die „Rapsodie espagnole“ von Maurice Ravel, eins der bekanntesten Stücke des frühen 20. Jahrhunderts, ist bei den Philharmonischen Konzerten tatsächlich dreißig Jahre lang nicht gespielt worden. Zwar klang das Orchester zu trocken und bieder, aber die Wiedergabe des Ravel-Werkes war die beste des Abends: ebenso tänzerisch wie furios, dabei sehr exakt ordnete Gómez Martinez die tumultösen und konvulsivischen Explosionen des Werkes, achtete besonders auf die Erkennbarkeit der Tänze und den klagenden Charakter dieses autobiographisch bedeutenden Werkes: Ravels Mutter war Baskin. Die abschließende Stretta, die den gesamten Orchesterapparat ungeheuer herausfordert, gelang bewundernswert und verdeutlichte damit, daß dieses Stück in seinem Sog- und Katastrophencharakter schon die großen Werke „La Valse“ und „Bolero“ antizipiert.

Mit den „Siete canciones populares espanolas“ von Manuel de Falla tauchte das Publikum vollends in spanisch-folkloristisches Flair ein, die spanische Mezzosopranistin Inma Egido sang die verschiedenen Charaktertänze mit flexiblem und schönem Timbre: letztes Atemholen vor einer mit Brachialgewalt durchgepeitschten ersten Sinfonie von Robert Schumann. 1841 in der wahrscheinlich glücklichsten Lebensphase des Komponisten geschrieben, birst das Werk zwar schier vor Lebenslust, aber das muß für die Widergabe nicht unbedingt heißen, daß nur noch aufgedreht wird.

Struktur war nur mit gutwilliger Mühe zu hören. Derart überinterpretiert wollten auch die verzwickten Violinpassagen im letzten Satz nicht mehr so recht gelingen. Irgendwie ging es bombastisch und strudelartig zu Ende – wobei Gómez-Martinez immer die turbulenten Ereignisse in der Hand behielt. Man hatte einen ganz neuen Schumann gehört – vielleicht einen spanischen?

Ute Schalz-Laurenze