IRA soll zunächst die Waffen abgeben

■ London stellt Bedingungen in Gesprächen mit Nordirlands Sinn Féin

Belfast (taz) – Der Friedensprozeß in Nordirland ist ernsthaft gefährdet, warnte der Sinn-Féin- Vorsitzende Mitchel McLoughlin am Montag. „Die britische Regierung weigert sich noch immer, mit Sinn Féin über den Friedensprozeß zu reden“, sagte er, „aber sie sprechen mit Sinn-Féin-Vertretern, wenn sie Mitglieder einer Bezirksrats-Delegation sind. Das Ganze ist eine Farce.“

Umstritten ist vor allem die Frage der Waffen. Die Londoner Regierung hat bisher darauf beharrt, daß die Irisch-Republikanische Armee (IRA) ihr Waffenarsenal herausrücken müsse, bevor ihr politischer Flügel Sinn Féin zu Gesprächen auf Ministerialebene zugelassen werde. McLoughlin meint, daß die Regierung das Pferd von hinten aufzäume: „Selbst wenn Sinn Féin in dieser Frage Einfluß hätte, was ich nicht glaube“, sagte er, „dann könnte das doch nicht bei Diskussionen mit irgendwelchen Regierungsbeamten bewerkstelligt werden.“

Bei der dritten Runde der „Vorgespräche über Gespräche“ zwischen den Regierungsbeamten und Sinn Féin hat die Londoner Regierung am Montag offenbar erstmals Kompromißbereitschaft gezeigt. Beide Seiten hielten jedoch mit Informationen hinter dem Berg. Staatssekretär Michael Ancram, der nicht bei dem Treffen war, deutete etwas kryptisch an, daß es möglicherweise genüge, wenn man sich auf einen „Mechanismus zur Übergabe offensiver Waffen“ einige. Er nannte die Gespräche nützlich und sagte, daß er „in Zukunft vielleicht selbst zu den Vorgesprächen stoßen“ werde, falls „weiterhin zufriedenstellende Fortschritte erzielt“ würden.

Unterdessen bemühte sich Premierminister John Major in London, die protestantischen Unionisten zu beschwichtigen. Der anglo- irische Rahmenplan für Nordirland, der im kommenden Monat veröffentlicht wird, enthalte nichts, das sie beunruhigen müßte, versprach er. Die Unionisten hatten angedroht, Majors Minderheitsregierung im Unterhaus die Unterstützung zu entziehen, falls der Rahmenplan gesamtirische Institutionen vorsehe.

Sinn Féin erhob auf der Sitzung am Montag erneut die Forderung nach Allparteienverhandlungen, die von den Regierungen in London und Dublin organisiert werden sollen. Der Leiter der Sinn- Féin-Delegation, Vizepräsident Martin McGuinness, sagte, er könne erst nach der nächsten Sitzung in zwei Wochen genaue Angaben über den Stand der Dinge machen, weil man zunächst die Diskussion vom Montag auswerten müsse. Im Gegensatz zu McLoughlin räumte McGuinness jedoch ein, daß man durchaus Einfluß auf die IRA habe. „Wieviel Einfluß wir haben und wie wir ihn einsetzen, müssen wir selbst beurteilen“, sagte er.

Politische Beobachter in Nordirland gehen davon aus, daß die IRA im April auf einer Armeeversammlung – dem höchsten Gremium der Organisation – entscheiden wird, ob der Waffenstillstand fortgesetzt wird. „Die Stimmung ist schlecht“, sagte ein Belfaster Sinn-Féin-Mann am Wochenende zur taz, „ich kenne niemanden hier im Viertel, der glaubt, daß der Waffenstillstand irgend etwas bewirkt hat.“ Ralf Sotscheck