Mit Atomkraft läuft es nicht

Skepsis vor den neuen Energiekonsensgesprächen in Bonn: Schröder und Rexrodt reden, die Umweltverbände dürfen nur zuhören  ■ Aus Hannover Jürgen Voges

Ein reiner Atomkonsens ist doch einfach Nonsens“, sagt Onno Popinga, der als BUND-Geschäftsführer an den Energiekonsensgesprächen des Jahres 1993 teilgenommen hat. „Wir verkaufen nicht unsere Seele“, beantwortet Heinz Laing die Frage, ob Greenpeace an einer Neuauflage dieser Konsenssuche teilnehmen wolle. Irgendwann im Februar soll eben dieser zweite Versuch beginnen. Darauf haben sich Gerhard Schröder und Günter Rexrodt am Montag abend in Bonn verständigt.

Bonner Kreise mit unbekannten Zaungästen

Einladen wird diesmal allerdings nicht die SPD, sondern der Bundeswirtschaftsminister. Ganz bescheiden freut sich der niedersächsische Ministerpräsident darauf, „als SPD-Verhandlungsführer“ dabeizusein. Atomkraftgegner werden kaum mit am Tisch sitzen. Bisher steht noch nicht einmal fest, ob Rexrodt die Umweltverbände überhaupt einladen wird. Zwar hält man es bisher im Bundeswirtschaftsministerium für wahrscheinlich, daß der Rahmen ähnlich sei wie im Jahr 1993. Doch definitiv entschieden werde über den Teilnehmerkreis, die Ziele und das Verfahren zur Konsenssuche erst in einem Gespräch beim Bundeskanzler am 27. Januar, erläutert die Sprecherin des Bundeswirtschaftsministers. In diesem Gespräch wolle die Bonner Regierungskoalition zunächst ihre Position in Sachen Energiekonsens abstimmen.

Die Umweltverbände ihrerseits warten keineswegs sehnsüchtig auf eine Einladung aus Bonn. „Wenn es nicht eindeutig um einen Ausstieg aus der Atomenergie geht, werden wir nicht teilnehmen“, sagt Heinz Laing für die Umweltschutzorganisation Greenpeace. Diese Vorbedingung erfüllt für Laing nicht einmal die Position vor Gerhard Schröder, der als einziger der Konsenseure gelegentlich im Fernsehen vom „Ausstieg“ spricht, auch wenn er bei anderen Adressaten, etwa im Handelsblatt, über das „Auslaufen der Kernenergie“ schreibt. Heinz Laing mag die 30 Jahre, die der Schrödersche Ausstieg dauern soll, nicht einmal mehr ein Auslaufen nennen. „Auch die zuletzt errichteten Reaktoren sind jetzt 8 Jahre in Betrieb“, sagt der Greenpeace-Energieexperte. Wenn man die noch weitere 30 Jahre laufen läßt, kommt man auf eine Betriebsdauer von fast 40 Jahren. „Die Energiewirtschaft ist in einer eigenen Untersuchung schon einmal von einer Laufzeit der Reaktoren von 25 Jahren ausgegangen“, meint Laing, auch die Sicherheitsgutachten für wichtige Reaktorkomponenten, etwa den Druckbehältern, gingen oft von einer 30jährigen Laufzeit aus. Das Schrödersche Modell sei daher schlicht „ein Vorschlag zur Verlängerung der Lebensdauer der Reaktoren“. Laing glaubt deshalb, die jetzt anberaumten Gespräche dienten weniger einem Konsens als vielmehr einer großen Energiekoalition. „Da wollen CDU und SPD sich mit den Energieversorgern einigen“, sagt er, „aber unser Job ist es nicht, daran mitzubasteln.“

Umweltverbände planen eigene Konsensgespräche

Mit „Skepsis“ sieht der BUND der erneuten Konsensrunde entgegen. „Wir haben zwar größtes Interesse an einer Diskussion mit den politisch Verantwortlichen über die Grundfragen der Energiewirtschaft“, sagt BUND-Bundesgeschäftsführer Onno Popinga. Doch gerade das werde nicht Thema der Konsensgespräche sein. „Bei einer wirklichen Neuorientierung muß man sich zunächst über die grundlegenden energiepolitischen Ziele verständigen“, sagt Popinga. Solche Ziele seien etwa die Reduzierung der CO2-Emissionen, der Ausbau der regenerativen Energien, eine Verständigung über eine Primärenergiesteuer. Überhaupt gehöre auch das Thema ökologische Steuerreform mit in wirkliche Konsensgespräche hinein. Erst wenn die energiepolitischen Grundlinien gemeinsam definiert seien, könne man auch Restlaufzeiten für die AKWs festlegen und sich über die Entsorgung des Atommülls verständigen. „Vordringliche Aufgabe ist es jetzt, die Weichen in der Energiepolitik neu zu stellen“, sagt Popinga und deutet an, daß der BUND, vielleicht gemeinsam mit anderen Umweltverbänden, bald zu eigenen Energiekonsensgesprächen laden könnte.

Auch die Grünen wollen sich an Konsensgesprächen nur beteiligen, wenn das Ziel von vornherein Atomausstieg heißt. „Nach unserer Auffassung hat das Ganze keinen Sinn“, sagt der Grünen-Vorstandssprecher Jürgen Trittin. Vor einer endgültigen Absage an Rexrodt, Schröder und Merkel will sich die Grüne Partei allerdings noch mit den Umweltverbänden verständigen. Trittin sieht in der jetzt anberaumten Bonner Runde einen Versuch, „den alten Schmidtschen Pro-Atom-Konsens wiederherzustellen“. Die Rolle des Bösewichts steht fest: „Schröder will als Macher dastehen und räumt Stück für Stück seine Position.“ Niedersachsens Ministerpräsident hoffe immer noch auf eine große Koalition und tue alles, um vorher nicht in der politischen Versenkung zu verschwinden.