Berlusconi foult seinen eigenen Kandidaten

■ Nach zahllosen Hindernissen legt Italiens neuer Ministerpräsident Lamberto Dini seine Kabinettsliste vor / Weiterhin unklare Mehrheitsverhältnisse

Rom (taz) – Eifersucht, Angst vor endgültigem Machtverlust, Rückzugsgefechte? Italiens zurückgetretener Ministerpäsident Silvio Berlusconi hat in den letzten Tagen nichts ausgelassen, dem – von ihm selbst vorgeschlagenen – Nachfolger im Amt das Leben schwerzumachen: Nur unter größten Mühen ist es dem bisherigen Schatzminister Lamberto Dini gelungen, sein Versprechen einer raschen Vorlage der Kabinettsliste zu halten. Nahezu stündlich haben Berlusconis „Forza Italia“ und ihr treuer Koalitionspartner, die Neofaschisten, die Meßlatte für eine Zustimmung zu der von Staatspräsident Oscar Luigi Scalfaro verlangten Regierungsmannschaft höhergelegt. Zunächst zeigten sie sich mit einem Expertenkabinett einverstanden, dessen Minister zwar nicht Parteimitglieder sein mußten, aber durchaus nach „politischer Nähe“ zu den diversen Parteien, die die Regierung unterstützen wollen, ausgesucht werden. Später verlangten sie die Bestätigung von nicht weniger als vier Ministern der bisherigen Regierung, darunter auch den Kanzleramtschef Gianni Letta, einst Berlusconis Medienbeauftragter und in mehrere Ermittlungsverfahren verwickelt. Um alles noch komplizierter zu machen, kündigten die Neofaschisten dann an, die Regierung nicht zu unterstützen, wenn auch nur ein Ressortchef den oppositionellen Linksdemokraten nahestehe.

Zusätzlich eröffneten Berlusconis Fernsehkanäle ein wahres Trommelfeuer auf Staatspräsident Scalfaro: Sie unterstellten ihm zeitweise, wahrheitswidrig, er habe Dini eine von ihm selbst gefertigte Kabinettsliste aufgezwungen (was der verfassungsmäßig vorgeschriebenen Wahlfreiheit der Minister durch den Regierungschef widersprechen würde) – Dini selbst dementierte das gester mittag beleidigt in einer Presseerklärung.

Ein Teil der Politkommentatoren sehen in all diesen Manövern einen Ausfluß von Unmut, weil sich der als Marionette Berlusconis gedachte Dini aus der Umklammerung des Mailänder Medienmoguls zu lösen versuchen könnte – getragen von einer Welle der Zustimmung an der Wertpapier- und Devisenbörse und mit Unterstützung des Staatspräsidenten. Andere dagegen vermuten in den Manövern eher eine Schützenhilfe für den als nicht allzu standfest eingeschätzten Dini gegenüber dem Staatsoberhaupt, das eine Mitte-links- Koalition oder jedenfalls eine Regierung unter Ausschluß der Neofaschisten bevorzugen würde.

Unterdessen wurde Dini gestern von Präsident Scalfaro zum neuen Ministerpräsidenten ernannt. Noch am Abend sollte das Kabinett vereidigt werden. Werner Raith