Dennis und die Seewölfinnen

Eine Frauencrew macht den altgedienten Segelmachos bei den Ausscheidungen um den America's Cup vor San Diego das Leben schwer  ■ Von Matti Lieske

Berlin (taz) – Zum siebten Mal nimmt er am America's Cup teil, dreimal hat er ihn gewonnen, und er gilt als der beste Skipper des Segelsports, zumindest was das Match Race, die Wettfahrt zweier Großjachten, betrifft. Doch das bewahrt Dennis Conner keineswegs vor Kalamitäten. 1983 verlor er als einziger US-Amerikaner in der 144jährigen Geschichte des America's Cup den silbrigen Henkelpott an eine ausländische Crew, eine Schmach, die seither untrennbar mit seinem Namen verbunden ist, auch wenn er den Cup vier Jahre später in souveräner Manier aus Australien zurück in die Staaten holte. 1992 mußte er sich im Finale dem schwerreichen Dilettanten Bill Koch beugen, und in diesem Jahr bekam er es bei der Ausscheidungsregatta vor San Diego mit der ersten reinen Frauencrew der America's-Cup-Geschichte zu tun. Gleich im ersten Rennen kassierte er eine ebenso deftige wie historische Niederlage, denn es war nicht nur der erste Sieg eines Frauenbootes gegen ein Männerboot, sondern der erste Triumph eines Frauenteams gegen ein Männerteam im Weltsport überhaupt.

Wieder half es dem 52jährigen Conner wenig, daß er dem Auftaktdebakel einen überlegenen Sieg seiner „Stars & Stripes“ gegen die weibliche „America 3“ folgen ließ, der Spott, nicht zuletzt der von Skipperin Leslie Egnot, war ihm gewiß. Schon vor geraumer Zeit war Conner mit den „Seewölfinnen“, wie die Frauencrew in der US-Presse gern tituliert wird, aneinandergeraten, als er sie bei einem Dinner munter als „Haufen Lesbierinnen“ bezeichnete und dafür von Navigatorin Annie Nelson ein alkoholisches Getränk über den Kopf geschüttet bekam. „Neunzig Prozent von uns sind entweder verheiratet oder haben feste Freunde“, bemerkte Besatzungsmitglied Stephanie Armitage-Johnson, vergaß aber nicht hinzuzufügen: „Wen interessiert das eigentlich?“

Die Frauen der America 3 sind sich zwar durchaus bewußt, welch revolutionäre Rolle sie im traditionell männlich beherrschten Segelsport spielen, dennoch reden sie diesen Aspekt eher herunter. „Um auf ein solches Boot zu kommen, mußten die Frauen meiner Generation den Kapitän heiraten“, sagt die 40jährige Alison Hamilton, aber Merritt Carey, die schon an der härtesten aller Regatten, dem Whitbread Race rund um die Welt, teilnahm, stellt klar: „Das ist kein Geschlechterkampf. Es geht darum Spaß zu haben – und zu gewinnen.“ In die gleiche Kerbe haut Bill Koch, der diesmal keine Lust hatte, selbst mitzusegeln und dafür die America 3 ins Rennen schickte: „Das ist kein Frauenbefreiungsding, unser Wunsch ist zu gewinnen.“ Die männliche Konkurrenz allerdings sieht die Angelegenheit weniger locker. „Frauen lieben es, Männer zu schlagen“, sagt Bill Trenkle vom Conner- Team, „und Männer lieben es, sich über Männer lustig zu machen, wenn sie von Frauen geschlagen werden. Sollte uns ein Haufen Mädchen in den Arsch treten, dann weiß Dennis, daß es schwer ist, damit zu leben.“ Sätze, die den Seewölfinnen ihren Sieg besonders versüßten.

Von 678 Bewerberinnen waren 29 ausgewählt worden, darunter mehrere olympische Medaillengewinnerinnen. Seit Juni trainierten die Frauen jeden Tag zehn Stunden in einem Camp bei San Diego, betreut von einem 90köpfigen Stab aus Trainern, Ingenieuren und, nicht zuletzt, PR-Experten. „Der Sport brauchte eine Spritze“, sagt Coach Kimo Worthington, „die Frauen machen die Sache interessant.“ Das finden auch diverse Sponsoren, die die America 3 mit rund 15 Millionen Dollar finanzierten. Fünf Millionen Dollar steuerte Bill Koch bei, ein Klacks im Vergleich zu den 70 Millionen, die er 1992 investierte.

Ein Handicap des Frauenteams ist es, daß ihr neues Boot immer noch nicht fertig ist und sie die ersten Rennen mit einer langsameren Jacht bestreiten müssen. „Da lernst du am meisten, wenn du zusätzliche Geschwindigkeit aus einem alten Boot herausholen mußt“, versucht Jennifer J. Isler der Sache etwas Positives abzugewinnen, doch wertvolle Punkte drohen verlorenzugehen. Nach der Niederlage im zweiten Rennen gegen Conner unterlagen die Frauen auch gegen den Dritten im Bunde, Kevin Mahaney vom „Young America“-Team. Nur die beiden Ersten dieser Ausscheidung werden im April den endgültigen Titelverteidiger aus den USA ermitteln. Der Herausforderer für das am 6. Mai beginnende Finale wird dann zwischen den beiden Siegern jener Konkurrenz ermittelt, die sieben Teams aus Neuseeland, Australien, Frankreich, Japan und Spanien derzeit ebenfalls in San Diego abhalten.

Ginge es allein nach Segelkunst, wäre wohl klar, welche Boote im Mai an den Start gehen würden. Conners „Stars & Stripes“ und die „oneAustralia“ von John Bertrand, jenem Mann, der 1983 den Cup nach Australien verschleppte. Doch der Einfluß des menschlichen Faktors ist auch im Hochseesegeln gering geworden, es dominiert das Material. „95 Prozent machen Technologie und Management aus. Nur der Rest besteht aus Segeln“, sagt Bill Koch, einer, der es wissen muß. Erheblich uncharmanter drückt es Merrill Carey aus: „Sogar Idioten können einen recht guten Job machen, wenn sie ein schnelles Boot segeln.“