Eine halbe Schulzahnärztin

■ Neues aus der ZahnärztInnenszene: Service „Materialnachweis“. Kritik: Prophylaxe ist bei Risikokindern überhaupt nicht ausreichend

Zwar klagte die Bremer Zahnärztekammer auch bei ihrer gestrigen Pressekonferenz mal wieder über allerlei Mißstände, hatte aber auch zwei Erfreulichkeiten zu berichten: Im Frühjahr wird PatientInnen zu jeder Füllung kostenlos ein Materialnachweis ausgehändigt. Darin steht, welche Legierungen verarbeitet wurden. Dieser Nachweis gibt AllergikerInnen wichtige Hinweise. Außerdem kann so vermieden werden, daß PatientInnen verschiedene Metalle eingesetzt bekommen. Der Nachweis gibt aber nur über neue Füllungen Auskunft, über frühere muß man seine Zahnärztin selbst befragen. Die ist verpflichtet, Daten fünf Jahre lang aufzubewahren.

Erfreulich auch die Nachricht, daß trotz all der Drohungen zum Jahresende keinem Bremer Patienten die Behandlung verweigert worden ist. Zur Erinnerung: Seit der Gesundheitsreform bekommen Zahnarztpraxen für Füllungen, Parodontosebehandlungen und Zahnziehungen nur ein bestimmtes Budget pro Jahr von den Krankenkassen – egal wieviel Zähne sie gezogen oder Löcher sie gefüllt haben. Im Herbst nun hatten mehrere Augsburger ZahnärztInnen gedroht, zum Jahresende hin keine PatientInnen mehr zu behandeln, weil sie ihr Budget bereits ausgeschöpft hatten. „Das war ziemlich aufgebauscht“, hieß es dazu gestern von der Bremer Zahnärztekammer. Tatsächlich sei es zu keinem Behandlungsboykott gekommen. Möglicherweise seien einzelne Behandlungsschritte ins nächste Jahr terminiert worden, aber sowas sei nicht problematisch.

Ihr Budget überschritten hatten allerdings schon im Herbst auch rund 30 Prozent der Bremer ZahnärztInnen – wie alle ZahnärztInnen in Stadtstaaten. Grund: Die Länder bekommen ihre Budgets je nach Einwohnerzahl zugeteilt – die Bremer ZahnärztInnen behandelten jedoch außerdem viele PendlerInnen aus Niedersachsen, sagte Peter Boehme, Präsident der Zahnärztekammer Bremen und in diesem Jahr auch Vorsitzender der Bundeszahnärztekammer.

Weniger erfreulich ist die Kritik der Zahnärztekammer an der zahnärztlichen Betreuung von Kindern in Bremen: Nur rund 30 Prozent der Kindergartengruppen würden erreicht. Ursache: zuwenig Personal bei der Landesarbeitsgemeinschaft zur Förderung der Jugendzahnpflege, einem Zusammenschluß von Vetretern der Krankenkassen, des Gesundheitsressorts und der ZahnärztInnen. Unbedingt mehr kümmern müsse man sich um die Kinder aus sozial schlechter gestellten Familien, forderte Peter Boehme, um die Risikokinder. Schließlich hätten 20 Prozent der Kinder 80 Prozent aller bei Kindern gezählten Zahnlöcher im Mund.

Aber auch bei den Schulkindern nehme die Stadt Bremen die Kariesvorsorge nicht ernst genug, kritisierte der Chef der Bremer ZahnärztInnen: So gebe es im Gesundheitsamt heute gerade noch eine halbe schulzahnärztliche Stelle für alle Schulen. Doch diese Kritik läßt der leitende Kinderarzt im Hauptgesundheitsamt, Eberhard Zimmermann, nicht auf sich sitzen: Man habe die einst sieben SchulzahnärztInnen-Stellen vor Jahren schon bewußt zusammengestrichen. Die SchulzahnärztInnen hätten nämlich in erster Linie Löcher gezählt für die Statistik, nicht aber gefüllt. Das eingesparte Geld gab man lieber für billigere und damit mehr ProphylaxehelferInnen aus, die in jeder Klassenstufe erneut Zahngesundheit thematisierten: in den unteren Klassen das Zähneputzen, in den höhreren den Umgang mit Zahnseide. Allerdings sei man nun auch noch von oben zusammengespart worden. Vier SchulzahnärztInnen brauche man zwar nicht, aber eine halbe sei nun doch zuwenig.

Zur Beruhigung: Die jüngste Untersuchung der Mundgesundheit neunjähriger BremerInnen ergab: Die Schulkinderzähne sind heute doppelt so gut wie elf Jahre vorher. cis