Sanssouci: Vorschlag
■ Libuše Moniková und Stevan Tontić in der literturWERKstatt
Fremde Heimat und heimatliche Fremde oder vertraute Heimat und fremde Fremde – aus solchem Material lassen sich nicht nur kombinatorische Reihen bauen, die die Einfältigkeit der Begriffe aufbrechen. Die Pankower literaturWERKstatt macht daraus Gesprächsrunden mit Autoren. Heute heißt der Gastgeber Uwe Kolbe. Mag der Titel der Veranstaltung auch etwas gequält klingen („Orte... oder Kommt mein Schreiben wo her?“) – als „Hineingeborener“ (nämlich in die DDR) und Ausgewanderter (nach jahrelangem Publikationsverbot 1988 in die BRD) muß sich Kolbe nicht aufs Moderieren beschränken. „Wo bin ich heimisch?“ wird er sich, Libuše Moniková und Stevan Tontić fragen, immer den Brüchen auf der Spur, die deren einleitende Lesungen offengelegt haben: „Und wo ist mein Text heimisch?“
Bei beiden Gästen ist keine der Fragen einfach zu beantworten. Stevan Tontić lebte als Jugoslawe in Sarajewo und floh im Januar 1993 als bosnischer Serbe aus der Stadt, die die serbischen Truppen seit April 1992 belagern. Zur Zeit wird der Flüchtling in Berlin „geduldet“. Seine Gedichtsammlung „Handschrift aus Sarajewo“ (1994) kreist immer wieder um den Verlust der Heimat: „Im Niemandsland, / in klingender Leere. / Frei von der Heimat, / von der Geschichte / ... In der klaren Sternenflamme. Im All.“ Auch Libuše Moniková mußte ihre Heimat verlassen. Sie wurde drei Jahre nach dem Prager Frühling aus der Tschechoslowakei gedrängt. Heute lebt sie in Berlin und schreibt ihre Romane und Essays auf deutsch. Doch ein „Prager Fenster“ (1994) ist meist in ihnen zu finden, und es steht besonders weit offen, wenn sich die Hauptgestalten ihres Romans „Treibeis“ (1992) in den österreichischen Alpen über Filme, Grönland, Hiroshima und vieles mehr unterhalten – und doch Prag meinen, jenen Ort, an dem Libuše Monikovás Lakonie und ihr hasardierender Witz heimisch zu sein scheint. Heimisch? Jörg Plath
Heute, 20 Uhr, literturWERKstatt Berlin, Majakowskiring 46.
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