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Präventiv aufgeknöpft

Eine vernünftige Sache, so eine KitKat-Party: Schön warm und kaum verfänglich, und für das Wesentliche ist gesorgt. Zum Freitagabend-Event in der Turbine trieb es aus Neugierde:  ■ Kirsten Niemann

Kennen Sie den KitKat Club in der Turbine? Mein Wissen darüber beschränkte sich auf die spärlichen Informationen, die ich in einem kurzen Fernsehbeitrag gesehen hatte, jedenfalls bis zum letzten Freitag. Einmal in der Woche findet dort ab 23 Uhr eine Mischung aus Tanzveranstaltung und öffentlicher Sex-Party statt. Die mehr oder weniger (eher weniger) in Leder, Lack oder Latex gekleideten Gäste gebärdeten sich dabei recht zügellos. Man gelangte schnell zu der Überzeugung, man könne sich kaum bis an die Bar begeben, ohne von allen Seiten angefummelt zu werden. Und mehr noch: es gab keinen Ort, an dem nicht gebumst wurde.

Derartig viel Freizügigkeit fand ich irgendwie faszinierend, zumindest aus der sicheren Distanz vom Fernsehsessel aus. Derselben Ansicht war auch die geschätzte Redakteuse, die dieselbe Sendung gesehen hatte und mich postwendend losschickte. „Schau doch mal, was da so los ist!“ „You can do what you want, but stay in connection!“ – lautete die Devise für den Abend. Für das Wesentliche war gesorgt: es gab Kondome satt.

An der Garderobe wurde man erst mal dazu angehalten, seinen Mantel und alle anderen überflüssigen Textilien abzulegen. Denn abgesehen von dem obligatorischen „sexual fantasy“-Outfit, empfiehlt es sich natürlich, sowenig Stoff wie möglich am Leib zu behalten. Ein Umstand, der mir zuvor ein bißchen Kopfzerbrechen bereitet hatte, denn tatsächlich blieb meine Kleiderfrage bis zum letzten Moment vakant. Doch „sexual fantasy“ läßt einem ja erfreulicherweise ein wenig Spielraum...

In der Disco herrschte eine Beleuchtung, die es richtig gut mit einem meint. Orangenhaut und Unreinheiten waren wie weggeblasen. Das kam auch einem fetten, bis auf die Kopfhaut entblößten Sklaven zugute, der mit einer um den Hals baumelnden Kette neben dem Eingang wachte. Trotz später Stunde, es war immerhin schon nach zwei Uhr, war die Stimmung noch relativ verhalten. Von vögelnden Paaren keine Spur. Nicht einmal ein erigierter Penis war zu sehen. Absolut nichts. Man lernte sich erst kennen. Irgendwann kam mir der Verdacht, von zahllosen Journalisten umgeben zu sein, die wie ich nur darauf warteten, daß endlich etwas passieren möge. Und wirklich: Kollegen von RTL liefen mit einer Handkamera herum!

Endlich ein erster Blickkontakt: Ein junger Mann schaute zu uns herüber. Seine kurzen Hosen saßen so eng, daß nicht viel Phantasie nötig war, um sich vorzustellen, was in ihr steckt. Doch ob er mich oder aber meinen gutaussehenden Begleiter anpeilte, stand noch nicht fest. Allmählich fing die Nacht an, mir Spaß zu machen. Eine vernünftige Sache, so eine KitKat-Party. Das leuchtet ein: man kann schließlich nicht jeden One-Night-Stand mit nach Hause nehmen. Und bei Außentemperaturen von minus sechs Grad das Gebüsch krachen zu lassen ist bestimmt keine gute Idee.

Der DJ „Der Würfler“ legte Trance-Techno auf, Musik, die niemanden stört und etwa so aufregend ist wie ein Schluck Wasser. Aber für dieses Ambiente war das anscheinend genau das richtige, denn auf der Tanzfläche gerieten sie allmählich in Ekstase: eine Frau knöpfte sich schon mal präventiv ihren Bodystocking im Schritt auf, und zwei reichlich gepiercte Leute merkten mit der Zeit, daß sie wie geschaffen füreinander waren. Plötzlich schwebte mir ein Kerl in Ledertanga und hohen Pumps entgegen. Mein Parfüm mache ihn total scharf, meinte er. Na, da schaue ich doch lieber wieder in die Richtung, wo dieser junge Mann mit den engen Hosen stand! Aber der hatte doch meinen Begleiter gemeint.

Mittlerweile war es schon vier Uhr, und es wurde immer noch nicht gebumst. Aber die meisten Leute hatten sich schon langsam warm gemacht, es konnte also nicht mehr lange dauern. Ich war jedoch todmüde und mußte gehen. An der Garderobe steckte man mir einen Flyer zu, eine Einladung zu einer „Pervy-Party“. Nichts für mich, weil nur für Männer. „Only the extreme ones will survive“, drohte man auf dem Papier. Im Grunde genommen hatte ich es mir gleich gedacht: der KitKat Club ist offensichtlich eine der harmloseren Tanzveranstaltungen.

Jeden Freitag, Turbine, Glogauer Straße 2, 20 Mark Eintritt.

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