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Im Fummel Punks verdroschen

■ Tagsüber heißt er Peter Paetzold, nachts zieht sie als Petra Doren durch die Münchner Bars. Ein Gespräch zur heutigen Lesung und Show im "Golden Girls"

Sie ist über 50, wiegt 120 Kilo und quetscht mit einem Korsett den Bauch zur Brust. Sie liebt Meißen- Täßchen und haßt Handarbeit, außer Sticken, das macht sie gerne. Im Hamburger „Pulverfaß“ ist sie regelmäßig zu sehen, auch Fernsehsender haben sie entdeckt. Petra Doren hat ein Buch geschrieben: eine Sammlung dubioser Andekdoten über das nächtliche Treiben im schwulen Sub, ein Fegefeuer der Eitelkeiten, gespickt mit typischem Tuntenhumor.

taz: Guten Tag, soll ich Herr Paetzold oder Frau Doren sagen?

Petra Doren: Sag Peter oder Petra, wie du willst. Ich bin's gewohnt, daß die Leute immer Petra zu mir sagen. Ich laufe aber nur nachts als Frau herum.

Mit Medikamenten haben Sie nachgeholfen, eine Frau zu werden. Haben Sie mal an eine Operation gedacht?

Nein, auch Hormone habe ich nie genommen. Zwar haben mir damals viele gesagt: „Laß dir doch Titten machen“, aber das war nie Thema. Hormone, das habe ich bei Kollegen gesehen, machen labil. Viele sind suizidgefährdet.

Sie haben ein Buch geschrieben. Warum?

Ein Journalist hatte ein Interview mit mir gemacht und gemeint: „Ach Gott, du erzählst so nett, willst du nicht deine Geschichte aufschreiben?“ Er hat geholfen.

Sie beschreiben akribisch das Schminkzeremoniell und die Welt des schönen Scheins. Über Ihre innere Haltung erfährt man wenig.

Findest du? Also ich war oft sehr enttäuscht. Nun lebe ich sehr zurückgezogen. Ich lass' fast niemanden an mich ran. Mein Leben mit den Tourneen, mit den Cabarets und so, das ist immer auch ein leeres Leben in Sachen Persönlichkeiten.

Sind Sie liiert?

Ja, mein Freund wohnt in Hamburg. Er ist Schauspiellehrer. Wir führen eine sehr lockere Beziehung. Es ist immer ein Problem, wenn du auf Tournee bist. Viele Freundschaften gingen durch die Raserei in die Brüche.

Im Buch heißt es, daß Sie keine Karriere machen wollten.

Ich hab's immer aus Spaß gemacht und nicht daran gedacht, ein Star zu werden. Inzwischen bin ich in München ein Faktotum. Ich bin froh, wenn die Leute mich ansprechen, weil sie mich im Fernsehen gesehen haben. Dann bin ich nett und freundlich.

Haben Sie den Film „Priscilla, die Wüstenkönigin“ gesehen?

Leider noch nicht.

Da werden die Transvestiten auf dem Lande übel angemacht. Haben Sie so etwas auch in Bayern schon erlebt?

Mehr in den neuen Bundesländern. Da sind die Leute sehr aggressiv und diskriminierend. Das kommt, weil sie unsicher sind und nicht wissen, wie sie damit umgehen sollen. Einmal haben sie „du schwule Sau“ gerufen. Da hab' ich mich umgedreht und sie angeschrieen: „Kümmer dich um deinen Scheiß, du Wichser!“

Charlotte von Mahlsdorf geht wegen rechtsradikaler Ausschreitungen ins Exil.

Charlotte hat bestimmt Angst, wenn sie beschimpft wird. Wenn man aber richtig aggressiv wird, dann werden die Leute mucksmäuschenstill.

Mit ihren 120 Kilo haben Sie ja auch jede Menge Argumente auf Ihrer Seite.

Stimmt. In einer Münchener Nachtbar – damals wog ich noch nicht ganz so viel – haben mich mal Punker angegriffen. Die habe ich verdroschen. Ich war im Fummel und hab' ihnen die Tasche und einen Aschenbecher um die Ohren gedonnert. Die fassen nie wieder eine Fummeltante an.

Man hat den Eindruck, daß viele Besucher einer Travestieshow nicht nur lachen, sondern auch belächeln.

Das kann sein, aber das nehme ich in Kauf... Viele verkraften eben nicht, daß sie selber so eine Veranlagung in sich spüren und so...

Helen Vita hat einmal gesagt, Sie sähen aus wie Rita Hayworth. Sie selbst behaupten von sich, eine Schlampe zu sein.

Ein schönes Kompliment, nicht? Aber ich bin eine Schlampe. Ich bin gerne faul, räume nicht gerne auf und wasche nicht gerne.

Wie sieht's denn bei Ihnen aus?

Schlimm. Nein, nicht schlimm. Aber ich bin kein Sklave meiner Wohnung. Ich setze mich lieber hin und lese ein Buch oder schaue fern. Ansonsten steht viel rum in meiner Wohnung, hier ein geschnitzter Engel, dort ein Porzellanväschen. Ich bin so 'ne richtige Kitschtunte.

Haben Sie Angst vor dem Alter?

Och, da habe ich keine Angst. Später werde ich nicht mehr arbeiten. Da werde ich in meinem Meißen-Täßchen rühren und sticken.

Klöppeln Sie auch?

Ich hasse Klöppeln. Ich hasse Stricken. Und Häkeln hasse ich auch. Dafür sticke ich wunderschöne Ornamente auf Kleider.

Sind Sie politisch aktiv?

Mit Politschwuchteln komme ich nicht klar. Einmal hab' ich auf der Bühne gesagt: „Nun gehn wir in den Sub und kneten aus Kartoffelteig eine Weihnachtskrippe. Das war für die schon zuviel... Früher hab' ich in der Aidshilfe viel gemacht. Sämtliche Kollegen in München sind an Aids gestorben. Ich hab' mal für die Aidshilfe 15.000 Mark in einer Woche eingespielt. Dafür habe ich bis heute noch kein Dankeschön gehört.

Freitag sind Sie im Berliner Café „Golden Girls“. Kommen Sie als Frau?

Das werden wir sehen. Interview: Tomas Niederberghaus

Heute, 20 Uhr: Lesung und Show, Golden Girls, Zietenstraße 8, Schöneberg. Das Buch ist bei der edition dia erschienen.

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