Durchs Dröhnland
: Retro ohne Reue

■ Die wichtigsten und überflüssigsten Konzerte der kommenden Woche

In Bauchnabelschau revisited macht auch Lisa Germano. Ein Rezept, mit dem schon ihre Kolleginnen Suzanne Vega, K.D. Lang oder Sinead O'Connor den Rahm auf den Charts abschöpften, ohne sich den Vorwurf des Ausverkaufs einzuhandeln. Melancholie ist alles bei Germano, die Stücke sind mehr Stimmungsbilder als Songs. Strukturierende Instrumente wie Schlagzeug finden sich nur selten, manchmal muß man den Lautstärkeregler über Gebühr beanspruchen, um überhaupt noch etwas zu hören. Solange Frauen ihre Musik besinnlich dahinplätschern lassen, dürfen sie auch erfolgreich sein. Und werden als Musikerinnen anerkannt im Gegensatz zu solch offensiven Entwürfen wie Madonna oder dem Rrriot Girrlism. Germano allerdings nur auf ihre stromlinienförmige Paßform im männerdominierten Musikgeschäft zu reduzieren hieße ihr Unrecht tun. Die Multiinstrumentalistin aus Indiana, fügte sich als gefragte Begleitmusikerin in das Line-up von Großverdienern wie den Simple Minds, ohne daß ihr Geschlecht dabei eine Rolle spielte. Vielleicht markiert die neue Generation musizierender Frauen wie Heather Nova oder eben Germano genau damit einen neuen Abschnitt in der Popgeschichte. Das Ziel ist allerdings erst erreicht, wenn diese Tatsache auch in Texten wie diesem vorausgesetzt wird.

Morgen, 22 Uhr, Knaack, Greifswalder Straße 224, Prenzlauer Berg

Daß man, in München lebend, ein bißchen komisch werden kann, beweisen wieder einmal die Bartlebees. Eingeschlossen zwischen von Surfern okkupierten Baggerseen und Voralpen, in denen einem die Zehen mit Snowboards abgefahren werden, entwickelte das Trio eine romantische Liebe zum englischen Pop und der eigenen Garage. Das schrammelt und verwirrt sich krude wie zu den besten Zeiten der TV Personalities, die in keiner Beschreibung der Bartlebees fehlen dürfen. Zudem weigerten sie sich bisher beharrlich, auf CD zu veröffentlichen, und benannten sich nach einer Romanfigur von Herman Melville. Rauher Charme von knuddeligen Jungs, den die McTells fortsetzen. Die sind schon allein deshalb ebenso sympathisch wie bedauernswert, weil sie immer noch ihr C86-Ding durchziehen, obwohl ihre damaligen Mitstreiter fast geschlossen zum Rave konvertierten. So bleiben eigentlich nur mehr Weddung Present und die McTells. Schließt sie in euer Herz, mit Teddybären zu werfen ist ausdrücklich erlaubt.

Morgen, 22 Uhr, auf der Insel, Alt-Treptow 6, Treptow

Gegenüber dem US-Folk ist der britische und irische ja etwas ins Hintertreffen geraten, wohl auch wegen des netten, kleinen, schwelenden Grabenkampfes zwischen der Guinness-Fraktion und den eher distinguierten, ein gepflegtes Akkordeon vorziehenden Bands. Traurig und herzzerreißend sind beide Ausprägungen, aber The Shanes setzen sich einfach zwischen beide Stühle. Die Kapelle aus Trier nennt es „HardPolka“. Und traut sich sogar, dem Joy-Division-Klassiker „Love Will Tear Us Apart“ diesen Rhythmus aufzudrängeln. Dazu fiddeln die Fiedeln, quietscht das Akkordeon und schmachtet die Mandoline. Und bei ausreichend Bier lösen sich die Fraktionen in suffseliger Umarmung.

Am 22.1., 21 Uhr, Knaack

Freak of Nature kommen aus Los Angeles, sehen auch so braungebrannt und saubergewaschenlanghaarig aus und hören sich zu allem Überfluß tatsächlich noch so an: die Gitarren die volle Breitseite, schön Metal, aber nicht zu sehr, schön Siebziger-Gekniedel, aber nicht allzu fusselig, schön Knallerschlagzeug, aber nicht zu schnell, schön Hardrockgekreische, aber nicht zu operettenhaft. Ganz der Metal-Konsens der letzten Jahre, der ohne Probleme zwischen p.c. und Gehtgutab pendelt. Sänger Mike Tramp war vormals bei White Lion, einer jener zu Tausenden in den Staaten herumlungernden Mainstream-Metal-Bands aus der zweiten Reihe, die auf dickes Geld, dicke Autos und dünne Frauen warten. Leider muß man zugestehen, daß Freak of Nature das, was sie machen, gut machen. Ihnen fehlt zwar die epische Brillanz von Metallica oder die wütende Punkdreckigkeit der Guns N'Roses, aber als Notbehelf für Menschen, die ohne so was nicht auskommen, gehen sie durch.

Am 24.1., 20.30 Uhr, Loft, Nollendorfplatz, Schöneberg

Allzu oft passiert es im fortgeschrittenen Alter ja, daß einem ein Gesicht über den Weg läuft, von dem man weiß, daß man es kennt, aber keinen Blassen hat, wo man es hintun soll. Ging mir gerade so mit Tex Morton, als er auf dem überaus bunten Promobildchen der Chainsaw Hollies abgebildet war. Ein Mensch, der dir vor wenigen Jahren, wenn du ab und zu Kneipen in Kreuzberg oder Schöneberg frequentiert hast, unweigerlich über den Weg lief. Meistens stand er an der Theke, manchmal auch auf der Bühne. Dort spielte er mit den Lolitas, dann zeigte er seine Gitarrenkünste und seine Rüschenhemden bei Lüde & die Astros. Mit den Chainsaw Hollies ist er jetzt weg vom Trash und dem Bikerhumor, aber dafür endgültig angelangt in den Sixties. Die Garage lassen die Chainsaw Hollies zwar immer noch vibrieren, aber vor allem dreht es sich doch um die gepflegte Melodie, um die klassisch krachende Gitarre, ums Vorwärts immerimmer, Rückwärts nimmer. Eine solch überzogene juvenile Dreistigkeit, daß man sich fragen muß, ob die nun ironisch gemeint ist bei diesen ja auch nicht mehr ganz so jungen Herrschaften. Zur echten Sixties-Revival- Band fehlt ihnen allerdings jeder Hauch von Psychedelia. Das kann man enttäuschend oder zeitgemäß finden, eines aber garantieren die Chainsaw Hollies: Einen gelungenen Retro- Abend ohne Reue, sich alt fühlen zu müssen.

Am 25.1., 21 Uhr, Keller, Stahnsdorfer Straße 76–78, Potsdam, am 27.1., 22 Uhr mit The Big Light im Knaack Thomas Winkler