Bischof László Tökés unter Securitate-Verdacht

■ Symbol der rumänischen Revolution soll IM des Geheimdienstes gewesen sein

Bukarest (taz) – Ein gespenstischer Fall geistert derzeit durch die rumänischen Medien: der „Fall László Tökés“. Der Mann, der im Dezember 1989 den Aufstand und Sturz des Diktators Nicolae Ceaușescu auslöste, das Symbol der rumänischen Revolution schlechthin, soll ein Spitzel des berüchtigten Geheimdienstes Securitate gewesen sein – informeller Mitarbeiter in Ceaușescus berüchtigtem Geheimdienst. So jedenfalls stellen es die skandalhungrigen rumänischen Medien dar.

László Tökés (42), heute Bischof der ungarisch-reformierten Kirche in Rumänien und einer der führenden Politiker der zwei Millionen starken ungarischen Minderheit Rumäniens, war wegen seiner regimekritischen Ansichten jahrelang von der Securitate terrorisiert worden.

Nachdem er in seiner Gemeinde in der westrumänischen Stadt Temesvar 1989 öffentlich gegen Ceaușescus Diktatur gepredigt hatte und die Securitate ihn aus der Stadt deportieren wollte, demonstrierten dort erstmals am 15. Dezember 1989 hunderte von Menschen zu seinem Schutz. Die Demonstrationen weiteten sich schnell aus – am 22. Dezember stürzte Diktator Ceaușescu, bereits drei Tage später wurde er hingerichtet.

Tökés mußte Protokolle unterschreiben

Ende letzten Jahres nun, genau fünf Jahre nach dem Beginn des Volksaufstandes, titelte die Bukarester Wochenzeitung Tinerama: „Pastor Tökés gesteht, daß er Agent der Securitate war“. Einige Wochen zuvor hatte die Zeitung in einer vierteiligen Serie auszugsweise von Tökés in den 70er Jahren unterschriebene Erklärungen abgedruckt, die aus dem Aktenbestand der Securitate stammen. In diesen werden Namen von Freunden und Bekannten des Bischofs erwähnt, die zusammen mit ihm in den 70er Jahren einen theologischen Zirkel besuchten. Die Personen, so Tinerama, seien von Tökés denuziert worden und hätten infolge dessen unter der Securitate gelitten.

In einer ersten Stellungnahme bestritt Tökés die Echtheit der Dokumente nicht. Er sei jedoch nicht Informator der Securitate gewesen, so der Bischof, sondern von Ceaușescus Geheimdienst von 1975 bis 1989 regelmäßig verhört worden. Dabei habe er von den Securitate-Offizieren vorgefertigte Erklärungen unterschreiben müssen – eine Praxis, die üblich war: Mit Drohungen, die von Repressionen über Gefängnis bis zu Mord reichten, wurden viele gezwungen, Schriftstücke zu unterzeichnen. Tökes selbst meint, er habe bisweilen höchstens einzelne Sätze ändern können.

Doch nicht nur Tinerama, sondern zahlreiche andere Medien blieben dabei: Tökés sei Agent gewesen. Weitere Beweise wie eine Verpflichtungserklärung Tökés' blieben sie jedoch schuldig. Sie widerriefen ihre Behauptungen auch nicht, als in den Erklärungen erwähnte Personen aussagten, daß sie von Tökés selbst hinterher informiert worden seien.

Mittlerweile sehen nicht nur Tökés, sondern auch eine Reihe rumänischer Politiker und Experten hinter den Veröffentlichungen eine gezielte Aktion der in den „Rumänischen Informationsdienst“ (SRI) gewendeten Securitate. Ihr Ziel: unbequeme Politiker zu diskreditieren. Denn immer, wenn den Medien in den letzten fünf Jahren Securitate-Akten zugespielt wurden, traf es Personen, die dem Regime des Staatspräsidenten Ion Iliescu ein Dorn im Augen sind – im letzten Jahr etwa den bekanntesten rumänischen Oppositionspolitiker Corneliu Coposu. Stichhaltige Beweise fehlten jedesmal.

Auch im Fall Tökés ist die Interessenlage für die Securitate-SRI klar. Der Bischof, dessen Stimme in Rumänien wie im Ausland Gewicht hat, klagte den rumänischen Staat in den vergangenen fünf Jahren immer wieder an, Minderheiten- und Menschenrechte zu verletzen. Virgil Magureanu, einst Hochschuldozent für Marxismus- Leninismus und heute als allmächtiger SRI-Chef nach Iliescu zweiter Mann im Staate zögert nicht, Tökés öffentlich „staatsfeindlicher Aktivitäten“ zu bezichtigen.

Ein Gesetzesprojekt, die Securitate-Akten öffentlich zugänglich zu machen, lehnte der SRI-Chef freilich immer wieder ab – wie auch die Mehrheit des rumänischen Parlamentes.

Tökés soll unterdessen auf einer mutmaßlichen Todesliste der SRI stehen: Ende Dezember warnte das österreichische Innenministerium den Bischof vor einem möglichen Anschlag des rumänischen Geheimdienstes.

Keno Verseck