Tonnentratsch

■ Müll: Nie waren sich HausbewohnerInnen so nah

„Eine Katastrophe, sag ich euch“, schnauft die sonst so gelassene Kollegin D. Seit zwei Wochen ist sie ohne jede Tonne. Die eigentlich für's ganze Haus bestimmten drei Tonnen haben sich drei Mieter unter den Nagel gerissen und auf den Balkon verschleppt. Generalstabsmäßig lief dagegen der Tonnentausch bei Kollegin U. ab: Die Rentner des Hauses hatten ihre große Stunde. „Da stand eines Morgens ein Rentner vor mir, wedelte stolz mit der Vollmacht der Besitzerin und wollte wissen, welche Tonnengröße ich möchte.“ Jetzt bekommt das Haus sogar eine abschließbare Gartenpforte.

Selbst im anonymen 14-Parteien-Haus der Kollegin C. offenbaren jetzt manche gemeinnütziges Denken. Jeden Tag hängen neue Computerbriefe an der Haustür: Ob man nicht zwei der vier Tonnen gar nicht erst benutzen solle? Die Schreiberin würde sie, falls bis Sonntag keine Einwände kommen, in ihrem Keller einschließen. Und der Büroangestellte aus dem ersten Stock hat sich per Aushang bereiterklärt, sonntagabends die volle Tonne an den Straßenrand zu stellen – nachdem die alte Frau G. den Müll aus den halbvollen Tonnen in eine einzige umgepackt hat. Wer da immer Flaschen und Zeitungen reinschmeißt, wird sie auch noch rausbekommen, sagt sie im vertraulichen Gespräch.

Überflüssig hilfsbereit allerdings ist der Nachbar des Kollegen T. T. frühstückt gern im Bett – Toast mit Nutella. Nun muß er am Restmüll-Tag schon vor dem Toast rausspringen und die halbvollen Tonnen wieder in den Vorgarten zurückzerren. Schon zweimal hat man den Nachbarn ermahnt. „Gott ja, klar“, sagt der jedesmal und patscht sich an die Stirn.

Sowas sind Peanuts im Vergleich zur Biomüll-Frage. Da fährt die hochfahrende U. hoch: „Wo soll ich denn in meiner 30 Quadratmeter-Wohnung fünf Gefäße für Papier, Flaschen, Biomüll, Restmüll und Kunststoff hinstellen?“ Nä, sie sammelt einfach gar nicht – da sie sowieso meist auf Arbeit sei, mache sie zuhause fast keinen Müll. Die WG des öko-bewanderten B. würde dagegen liebend gern Biomüll sammeln, darf aber nicht. Die Hausversammlung hat entschieden: „Da kommen bloß Ratten! Dann zahlen wir lieber mehr!“ Da wird BEB-Vertreter Hasloop ganz still: „So ein Entschluß macht uns sehr sehr traurig.“ Außerdem verpflichte das Abfallortsgesetz die BürgerInnen zur Mülltrennung.

Und wenn die Leute falsch sammeln? Jüngst fand sich in einer Biotonne gar ein Außenbordmotor. Solch eine Ordnungswidrigkeit könnte mit bis zu 500 Mark geahndet werden, sagt Hasloop. Allein, dazu müßte erst jemand Anzeige erstatten. Und so wappnet sich die neue Kompostieranlage gegen Falschsammler: Dort wird ein Arbeiter, in einer klimatisierten Kabine sitzend, per „Abwurfpaddel“ Windeln vom Laufband schnipsen.

Doch auch ordentliche Häuser wie das der ordentlichen Kollegin A. scheitern manchmal an der neuen Ordnung: Wohin mit den großen schweren Tonnen? Gern in den Hausflur. Doch da stehen schon die Räder. Die gehören eigentlich in den Radkeller. Doch in den kommt man nur über den Spielplatz hinterm Haus. Und dort hocken abends rauchende Kids. Und vor denen fürchten sich die radfahrenden Frauen. Jetzt stehen die Tonnen neben den Waschmaschinen. Das finden wieder andere unhygienisch...

Den Kollegen S. plagt ganz anderes: die mangelnde Ästhetik der braunen Biotonnen. Wieso können die nicht grün sein? Die sind bundesweit braun wie Erde, das hat sich so eingebürgert, heißt es von der BEB. Kollege J. plant sofort einen Wettbewerb für die taz: „Unsere Tonne soll schöner werden!“ Anmalen erlaubt die BEB nämlich. Aber Vorsicht: Lösemittel könnten das Eigentum der BEB beschädigen. Für weniger kreative Ästheten bietet der Martinshof eine „Müllbehälterverkleidung aus hochwertigem Nadelholz“ an, wahlweise lasiert oder weiß, abschließbar. Und das alles für rund 200 Mark. cis