piwik no script img

Ökologisches Feriengefühl

■ Zum 5. Mal fand letztes Wochenende „Reisepavillon“, die Messe alternativer Urlaubsveranstalter, statt

Der Präsentierteller der Urlaubsmacher wird größer und bunter. Mit „umwelt- und sozialverträglichen Reisen“ bereichern alternative Anbieter den boomenden Urlaubsmarkt und kommen damit der geschätzten Öko-Nachfrage entgegen. In Hannover fand jetzt schon zum fünften Mal der „Reisepavillon“ statt. Auf diesem einzigen „Marktplatz für anderes Reisen“ sammelt sich die alternative Reiseszene.

Über hundert Anbieter waren präsent. Es wurde informiert, wie man umweltbewußt reist; über neue Technologien und Vernetzungsmöglichkeiten innerhalb der Kleinanbieter wurde beraten und im Rahmenprogramm rund ums Ökologische diskutiert.

Eine „relativ intime Atmosphäre“ sei dies hier, so sagt Anke Biedenkapp, die Initiatorin von „Stattreisen Hannover“. „Wir wollen Besucher sensibilisieren und – ideologisch gesehen – den kleinen Reiseveranstaltern ein Forum geben, die anderweitig wenig Möglichkeiten haben, sich darzustellen.“ Den gemeinnützigen wie kommerziellen Kinder- und Jugendreiseveranstaltern, die anfangs noch dominierten, folgten in den letzten Jahren Erwachsenen-, Senioren- und Behindertenreiseveranstalter und die Anbieter von naturnahem Urlaub. Darunter versteht sich vor allem: Wandern, Wasserwandern, Radfahren.

„Wir wenden uns an die Trendsensiblen“, sagt Anke Biedenkapp. So werden von Trendforschern heutzutage empfindsame Menschen genannt, die es im Urlaub gern naturnah, heil und ökologisch korrekt haben wollen, Menschen, die die Apokalypse im Nacken und genügend Geld in der Tasche haben, um sich die ökologisch intakte Idylle zu leisten. Ein Potential, das parallel zur Bedrohung wächst und den Kleinveranstaltern Expansionsmöglichkeiten verspricht.

Kein Wunder, wenn die drohende Umweltkatastrophe ständig präsent ist. Zum Thema „Fernweh fatal – Wenn Urlauber in Massen fliegen“ warnte Prof. Karl-Otto Schallaböck vom Wuppertaler Institut für Klima, Umwelt und Energie vor jeder weiteren Expansion des Flugverkehrs: „Mit zirka fünf Prozent ist der jetzige Flugverkehr am Treibhauseffekt beteiligt, aber nur etwa fünf Prozent der Weltbevölkerung fliegen bisher.“

Obwohl Prof. Heinrich Beder von der Deutschen Lufthansa den Umweltprognostiker heftig abwehrte („Sie sind doch der Zampanelli der Statistik“), wurde deutlich, daß es schlicht ein Paradox ist, alternative Verkehrsformen lediglich aufzubauen, ohne die alten zu reduzieren.

Um Fragen zu Wachstumsobergrenzen oder politische Maßnahmen zum Abbau ging es – wenn überhaupt – nur ganz am Rande. Vielmehr stand die Expansion, nämlich die Ausweitung des umwelt- und sozialverträglichen Reisesektors, im Mittelpunkt. Dazu bedarf es des umweltbewußten Konsumenten. So drehte sich alles um den Menschen. Er wurde umworben als potentieller Kunde, und er wurde gescholten, weil er sich in der Mehrzahl unökologisch verhält.

Halo Saibold von den Bundesgrünen, Vorsitzende des Ausschusses für Fremdenverkehr, fragte, wie es möglich sei, daß man von der Umweltkatastrophe weiß und trotzdem keine Konsequenzen fürs eigene Verhalten zieht. „Es kann doch nicht angehen, daß Lebensstile und Zeitgeistentwicklungen vor allem von der Wirtschafts- und Freizeitindustrie beeinflußt werden.“ Halo Saibold warb mit ihrem Auftritt auf dem „Reisepavillon“ für eine breit angelegte öffentliche Diskussion über das „Wie weit“, „Wie oft“ und das „Warum“. Sollten wir vielleicht mehr reden statt reisen? Christel Burghoff

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen